Feste und Bräuche

Tomte – der schwedische Weihnachtsmann

Jenny Nyström God Jul

Alles liegt ruhig und still. Der Mond scheint hell über dem einsamen Hof irgendwo in Schweden. Doch da! Da bewegt sich etwas! Ein kleiner Kobold wandert zwischen Haus und Stall. Mit seinem weißen Bart wirkt er wie ein alter Mann, aber er ist kleiner als ein Kind. Tomte ist unterwegs. Er schaut nach den Tieren im Stall und wacht über Haus und Hof.

Wahrscheinlich kennst du das Bilderbuch „Tomte Tommetott“ von Astrid Lindgren* mit den herrlichen Illustrationen. Hier wird genau von diesem Tomte erzählt, der nachts seine Runden zieht und den Bauernhof beschützt. Aber was hat dieser Tomte mit Tomte, dem schwedischen Weihnachtsmann, zu tun?

Das ist gar nicht so einfach, denn der heutige Weihnachtsmann – der Jultomte – ist eine bunte Mischung aus Traditionen, Erzählungen, mythischen Figuren und Werbung. Eine Hybridfigur. Lasst ihn uns auseinandernehmen:

Odin, der Weihnachtsmann?

Die Theologin Margaret Baker sieht in Odin die Ursprungsfigur des Weihnachtsmanns. Odin, Göttervater, Kriegs- und Totengott in der nordischen Mythologie, als Weihnachtsmann? Das klingt erstmal wie ein schlechter Scherz. Aber vielleicht lassen sich tatsächlich einzelne Fäden zu ihm zurückverfolgen.

Um die Wintersonnenwende feierten so gut wie alle germanischen Kulturen das „Yule“-Fest, welches dem Göttervater Odin gewidmet war. Aus „Yule“ entwickelte sich das Wort „Jul“ (schwedisch für Weihnachten), Odin wurde auch „Julfader“ oder „Julner“ genannt. Während der Wintersonnenwende soll Odin, dargestellt mit langem, weißem Bart (!), auf seinem Schimmel Sleipnir über den Himmel geritten sein.

Vermischung von heidnischen und christlichen Traditionen

Wie bei vielen christlichen Festen vermengten sich heidnische und christliche Traditionen. Aus der heidnischen Wintersonnenwende wurde das religiöse Christi-Geburtsfest. Und eine Heiligenfigur tritt nun hinzu, die bei der Entstehung des Weihnachtsmannes auch ein Wörtchen mitreden möchte: Sankt Nikolaus.

Nikolaus wirkte im 4. Jahrhundert n. Chr. als Bischof in der heutigen Türkei. Bekannt war er aufgrund seiner Mildtätigkeit und Güte. Der Legende nach soll er unter anderem drei junge Frauen, deren Vater tief verschuldet war, vor der Prostitution gerettet haben, indem er ihnen eine Tasche voll Gold schenkte. Damit wurde Sankt Nikolaus zum Vorbild und Namensgeber des holländischen („Sinterklaas“) und amerikanischen Weihnachtsmanns („Santa Claus“).

Die schwedische Tradition des Tomte bzw. Gårdstomte

Nun haben wir Odin, Sankt Nikolaus, Santa Claus. Aber wie und wo kommt der schwedische Tomte ins Spiel?

Im gesamten Norden existiert die uralte Sagenfigur des Gårdstomte oder hustomte. Im Dänischen und Norwegischen heißt dieser Haus- und Hofkobold nicht Tomte, sondern Nisse, was die Kurzform von Niels ist, was sich wiederum von Nikolaus (!) ableitet. Tomte lebt auf den Höfen und wacht über sie sowie über die Menschen und Tiere, die dort leben. Sonderlich groß ist er nicht. Vielleicht so wie ein kleines Kind. Aber er sieht aus wie ein alter Mann und hat einen langen weißen Bart. Man sollte ihn gut behandeln. Tut man es nicht, kann der Kobold böse werden, üble Streiche spielen oder gar den Hof verlassen.

„Tomten“, das berühmte Gedicht von Viktor Rydberg

Der Hustomte hat mit Weihnachten zunächst herzlich wenig zu tun. Diese Verbindung ist vor allem dem Dichter Viktor Rydberg und der Zeichnerin Jenny Nyström zu verdanken. 1881 verfasste Rydberg das Gedicht „Tomten“, in dem er den Hus- bzw. Gårdstomten beschreibt. Entscheidend: Tomte streift in diesem Gedicht nicht in irgendeiner x-beliebigen Nacht über den Hof, sondern in einer eiskalten Mittwinternacht. Damit legte Rydberg den Grundstein für die Verbindung der sagenhaften Tomte-Figur mit Weihnachten. Rydbergs Gedicht formte Astrid Lindgren Jahrzehnte später in einen Prosatext um: „Tomte Tommetott“ war geboren.

Noch wirkmächtiger waren vielleicht die Illustrationen zum Gedicht, die die Malerin Jenny Nyström anfertigte. Tomte bekam einen weißen Bart und eine rote Mütze; später erhielt er noch einen Geschenkekorb. Damit prägte sie unser heutiges Bild vom Weihnachtsmann entscheidend mit.

Jenny Nyström Tomte
Jenny Nyström verschmolz den hustomte mit dem Weihnachtsmann.

Der Tomte als Hybridfigur

Im 19. und 20. Jahrhundert verschmolzen amerikanische und schwedische Vorstellungen vom Weihnachtsmann, sodass eine Hybridfigur entstand.

In den USA gab es nämlich bereits das Bild des etwas übergewichtigen Santa Claus, der einen roten Mantel und einen weißen Rauschebart trägt. Im Gedicht „A Visit from St. Nicholas“ (bekannt auch unter dem Titel „The Night Before Christmas“) von Clement Clark Moore aus dem Jahr 1823 kommt er mit einem von acht Rentieren gezogenen Schlitten über den Himmel und durch den Schornstein gefahren. Erste Zeichnungen zu dieser Santa Claus-Figur entstanden 1863.

Coca Cola verhilft Santa Claus zum Durchbruch

Eine moderne Legende besagt, Coca Cola habe den Weihnachtsmann erfunden. Das ist aber falsch. Coca Cola griff in den 1930er Jahren lediglich die Santa Claus-Figur aus Moores Gedicht auf und machte sie durch seine Werbung populär. Der Werbezeichner, der dafür verantwortlich war, hieß Haddon Sundblom. Seine Eltern stammten von den Åland-Inseln und aus Schweden. Gut möglich, dass er sich also nicht nur von Moores Gedicht, sondern auch von Rydbergs und Nyströms Tomte-Figur inspirieren ließ.

Woher kommt also der Weihnachtsmann? Wie du siehst, lässt sich diese Frage nicht so einfach beantworten. Er ist eine Mischung aus nordischer Mythologie, christlicher Tradition, Sagenfiguren und Werbung.

Wo wohnt der Weihnachtsmann bzw. der Tomte?

Lässt sich dann zumindest die Frage nach dem Wohnort des Weihnachtsmannes etwas leichter klären? Nein, leider auch das nicht. Denn fragt man in unterschiedlichen Ländern, wird man unterschiedliche Antworten erhalten.

Dänische Kinder werden sagen: „Ganz klar! Er wohnt am Nordpol oder in Grönland!“. In Finnland ist der Weihnachtsmann hingegen in Rovaniemi beheimatet. Und in Schweden?

Mora behauptet, das Tomteland südlich der Stadt sei Wohnort des Tomte. Doch 1998 brach der „Tomte-Krieg“ („Tomte-kriget“) aus. Zumindest wurde der Streit von der Zeitung Aftonbladet so betitelt, als die Stadt Arvidsjaur in Lappland ebenfalls behauptete, Heimatort des Weihnachtsmanns zu sein.

Grönland, Rovaniemi, Arvidsjaur, Mora – bis heute ist der „Krieg“ nicht entschieden. Vielleicht hat der Tomte ja aber auch einfach mehrere Wohnsitze. Zu einer Hybridfigur, wie er es ist, würde das passen.

Neben dem Jultomte ist Lucia eine der prägenden Figuren der schwedischen Weihnachts- bzw. Vorweihnachtszeit. Wenn du wissen willst, was sich hinter dem schwedischen Wort für Weihnachtsgeschenk verbirgt, dann wirst du hier fündig: Julklapp.

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