Die Sonne scheint an diesem Sommerabend in Stockholm noch warm vom Himmel. Sie taucht alles in goldenes Licht: das steinerne Gebäude des Reichstags und das königliche Schloss hinter mir, die Brücke, über die ich gerade gehe, die Gesichter, die mir entgegenkommen. Und das Klavier. Es steht am Ende der Brücke auf dem Gehsteig. Ein Mann sitzt davor, in sich versunken, die Finger gleiten sanft über die Tasten. Er spielt eine mir unbekannte Melodie. Eine leichte Melancholie schwingt in ihr mit. Musik liegt über der Stadt. Und das wunderbare Gefühl, dass gerade alles perfekt ist.
Das alljährliche Stockholmer Kulturfestival gibt Gründe genug, sich in die schwedische Hauptstadt zu verlieben. Aber da ist noch viel mehr.
Rom, Paris, London, Prag, Athen, Lissabon, Berlin und und und – Europa hat unzählige faszinierende, pulsierende, wunderschöne Hauptstädte. Sie alle sind mehr als nur eine Reise wert. Doch Stockholm bedeutet für mich mehr. Das wusste ich schon, als ich die Stadt nur als Tourist besucht habe. Seitdem ich aber für ein paar Monate hier gelebt habe, weiß ich: Es gibt einfach keine bessere Stadt als Stockholm.
Woran das liegt? Komm mit auf meinen kleinen Streifzug durch die Stadt!
Stockholm – eine Liebeserklärung
Stockholm ist eine pulsierende Großstadt und das klare Zentrum Schwedens. Im gesamten Großraum leben und arbeiten ungefähr 2,3 Millionen Menschen. Zugleich bestehen 30% der gesamten Stadtfläche aus Wasser und 40% der Landfläche aus Wald, Wiesen und Parks. Im einen Moment stehst du an einer vielbefahrenen Straße oder in der U-Bahn mit unzähligen Menschen um dich herum. Aber nur wenige Schritte weiter glaubst du dich meilenweit entfernt von jedem Großstadttrubel. Feinstaubbelastung und völlige Entspannung in der Natur sind in der Hauptstadt Schwedens nur eine Armlänge voneinander entfernt.
Stockholm ist eine Stadt der Widersprüche. Aber sie wirken nicht wie Kontraste, sondern lösen sich in einem harmonischen Mit- und Nebeneinander auf. Stockholm ist ebenso pulsierende Großstadt wie einsame Natur. Du findest buntes Treiben und absolute Ruhe. Schwedens Hauptstadt ist einerseits mondän, andererseits alternativ und hip, sie ist altehrwürdig und jugendlich modern, sie ist eine auf Felsen erbaute Stadt und zugleich eine Stadt des Wassers. Lauter Gegensätze. Aber ich nehme sie nie als Gegensätze wahr.
Mondänes Östermalm, gemütliches Gamla Stan, alternatives Södermalm
Wie bunt und unterschiedlich Stockholm sein kann, kannst du am besten bei einem Spaziergang durch die Stadt erleben. Gehe von Östermalm über Gamla Stan nach Södermalm (oder umgekehrt) und die Vielseitigkeit der Stadt wird dir regelrecht entgegenspringen.
Södermalm – vom Arbeiterviertel zum hippen Stadtteil
Södermalm ist der Prenzlauer Berg Stockholms. Früher war der Stadtteil südlich der Altstadt ein klassischer Arbeiterbezirk, heute sind die Wohnungspreise genauso unbezahlbar wie im restlichen Stockholm. Denn Södermalm – oft auch einfach nur Söder genannt – hat sich schon lange zum hippen, alternativen, bunten Stadtteil entwickelt und bildet damit in gewisser Weise den Gegenpart zu Östermalm. Rund um den Medborgarplatsen findest du unzählige Cafés und Restaurants und abends und nachts locken die Clubs zum Tanzen und Feiern. Aber hier gibt es auch noch diese urgemütlichen, leicht verwilderten Buchhandlungen, in denen man am liebsten den ganzen Tag verbringen möchte.
Ein besonderes Highlight ist der Hornstulls marknad am westlichen Ufer der Insel Södermalm. Immer samstags und sonntags herrscht hier auf dem Flohmarkt („loppis“) reges Treiben. Und auch der Magen wird mit erstklassigem Streetfood verwöhnt.
Södermalm ist auch der Ort der Aussichtspunkte. Von den hohen Klippen kann mehr wunderbar auf Gamla Stan, Kungsholmen und Norrmalm herunter- bzw. herüberschauen.
Gamla Stan – alt, eng, wunderschön
Ein gemütliches Café für die nächste Fika-Pause findest du nicht nur in Södermalm, sondern natürlich vor allem in der Altstadt Stockholms, Gamla Stan. Hier in den engen Gassen entlangschlendern, auf jedem Schritt die Geschichte der Stadt spüren, dann auf einen kleinen Platz gelangen, an dem sich Boutiquen und kleine Restaurants angesiedelt haben, das ist jedes Mal aufs Neue eine besonderes Erlebnis – und bei einem Stockholm-Besuch natürlich absolute Pflicht.
Besonders schön ist es am frühen Morgen, wenn die Touristen noch in ihren Betten schlummern und kaum jemand in den Gassen unterwegs ist. Aber auch der Abend und der Sonnenuntergang sind hervorragende Zeitpunkte, um Gamla Stan intensiv zu erleben. Da die Altstadt auf einer Insel liegt, ist das Wasser nie weit. Hier abends am Kai zu sitzen und das besondere Licht des Sonnenuntergangs zu genießen, ist einfach zauberhaft. Gehe hierfür am besten nach Riddarholmen, das ohnehin nicht so sehr von Touristen überlaufen ist.
Gamla Stan ist nicht nur eng und gemütlich, es geht hier auch prächtig und royal zu. Denn am nördlichen Ufer thront das mächtige Königsschloss. Und gleich daneben befindet sich der Reichstag, in dem das schwedische Parlament tagt. Monarchie und Demokratie direkt nebeneinander – noch so ein Widerspruch, der hier in Stockholm nie als Gegensatz wirkt.
Mondänes, reiches Östermalm
In Östermalm verändert sich das Stadtbild. Enge Gassen findest du hier kaum noch. Dafür aber prächtige Häuser, die die Uferpromenade am Strandvägen säumen, breite Straßen und teure Boutiquen und andere große Modegeschäfte. Im Ostteil des Stadtviertels haben sich viele Botschaften angesiedelt. Es ist einfach ziemlich repräsentativ hier.
Wohnen ist hier für Normalsterbliche unbezahlbar, aber dennoch kann man sich wunderbar wohlfühlen. Besonders schön ist es am Strandvägen, der hinaus nach Djurgården führt, wo sich das Freilichtmuseum Skansen, der Vergnügungspark Gröna Lund und das Vasa-Museum befinden.
Zauberhaftes Stadtbild
Stockholm verzaubert unter- und oberirdisch, zu Land und auf dem Wasser. Mich zumindest. Aber ich bin mir sicher, dass ich da nicht alleine bin. Denn das Stadtbild ist einfach malerisch.
Da sind zum einen natürlich all die schönen Häuser in Gamla Stan, Norr-, Öster- und Södermalm, die zum Teil prächtigen, zum Teil engen und gemütlichen Straßen, die vielen Sehenswürdigkeiten wie das königliche Schloss, das Stadshuset, der Reichstag oder der Kungsträdgården, der zur Kirschblüte in hellstem Rosa leuchtet, und und und.
Stockholm hat einen Nationalstadtpark
Zum anderen sind aber 40% der Landfläche in Stockholm Wald, Wiesen oder Parks. Die Natur ist damit ein ganz wesentlicher Bestandteil der Stadt. Überall gibt es größere und kleinere Parks, die zum Ausruhen einladen. Die Insel Djurgården ist – obwohl sie mitten in der Stadt liegt – nur zu einem kleinen Teil bebaut. Mein Wohnheim in der Nähe der Stockholmer Universität befand sich neben einem riesigen Park, einem großen Wald und einem schmalen Arm der Ostsee. Ich kam mir hier nicht wie in einer Großstadt vor, sondern vielmehr, als wäre ich irgendwo auf dem Land. Dieses Gelände rund um die Universität ist Teil des „Kungliga Nationalstadparken“, dem weltweit ersten Nationalstadtpark.
Wie grün (und blau vom Wasser) die Stadt ist, kannst du eindrucksvoll sehen, wenn du die Stadt von oben betrachtest. Gute Aussichtspunkte sind der Kaknästornet, der Turm des Stadshuset, der Katarinahissen, Mariaberget auf Södermalm und der Globen.
Die U-Bahn, ein Kunstwerk
Zum Stockholmer Stadtbild gehört aber auch das, was man nicht sofort sieht. Zum Beispiel die U-Bahn-Stationen. Nicht alle, aber einige davon sind perfekte Fotomotive. Bei manchen ist der nackte Fels in bunten Farben angemalt, an anderen sind Kunstwerke installiert. Überall gibt es etwas zum Schauen und Staunen. Damit ist die Stockholmer U-Bahn (oder: „tunnelbana“) sicherlich eine der schönsten Europas.
Wasser prägt das Stadtbild Stockholms
Stockholm ist wunderschön zu Land, faszinierend unter der Erde – aber die Stadt wäre nur halb so schön ohne das Wasser. Fast überall, wo du in Stockholm unterwegs bist, ist es nicht weit zum Wasser. Die Stadt liegt zwischen Ostsee und dem See Mälaren, der sich weit ins Landesinnere erstreckt. Sie ist auf 14 Inseln erbaut, doch östlich der Stadt tummeln sich im Stockholmer Schärengarten weitere 30.000. 15 Seen befinden sich auf dem Stadtgebiet. Wasser überall.
Auf mich hat Wasser eine ganz besondere Wirkung. Egal, ob ich mit einem Boot darüber hinwegfahre oder ob ich am Ufer sitze, immer beruhigt es mich auf eine Weise, die mir manchmal selbst rätselhaft ist. Jeder Stress ist augenblicklich ganz weit weg, es zählt nur der Moment, ich komme zu mir.
In Stockholm gibt es tausende solcher Orte, an denen ich das kann.
Dieses Licht!
Das viele Blau sorgt aber auch dafür, dass das magische Licht des Nordens noch mehr zur Geltung kommt. Dieses Licht! Jeder, der bereits einmal im Norden gewesen ist, weiß, wovon ich spreche. Die Farben sind in der klaren, kühlen Luft viel intensiver. Im Frühling und Sommer werden die Abende unendlich lang, das Licht des Sonnenuntergangs sanft und warm.
Die angestrahlten Häuser in Gamla Stan oder am Strandvägen leuchten, die Wellen im Wasser glitzern tausendfach, irgendwie wird alles ruhiger, langsamer, harmonischer.
Das sind die ganz besonderen Momente. Momente, die aus einer schönen Stadt einen Ort zum Verlieben machen.
Stockholm – eine Kulturstadt
Nun habe ich viel vom Stadtbild und der Natur gesprochen, die die Stadt prägt. Aber eine Hauptstadt ohne ein reichhaltiges kulturelles Leben wäre eine langweilige Hauptstadt. Und das ist Stockholm definitiv nicht.
Vor allem in den Sommermonaten ist ständig etwas geboten. Herausragende kulturelle Ereignisse sind dabei das eingangs erwähnte Stockholmer Kulturfestival und die Stockholm Pride. Daneben bieten weitere Festivals viel Abwechslung: die Kulturnacht Ende April, das kulinarische Highlight „Smaka på Stockholm“ im Kungsträdgården Anfang Juni, das Festival für junges Publikum „We are Sthlm“ in der Augustmitte, das Stockholmer Jazz Festival im Oktober und das Filmfestival im November. Langweilig wird es da nicht.
Spannende Ausstellungen, Lesungen und Filmvorführungen bietet zudem das Kulturhuset am Sergels torg.
100 Museen in der Stadt
Mit ungefähr 100 Museen gehört Stockholm zu den Städten weltweit mit der höchsten Museumsdichte. Neben „Klassikern“, die du in ähnlicher Form in vielen Städten finden kannst, wie das Historische, das Technische oder das Naturhistorische Museum, und manchen sehr kleinen, die sich auf eine bestimmte Nische beschränken, wartet Stockholm mit einigen richtigen Highlights auf.
Die mit Abstand beliebtesten Museen sind der Skansen und das Vasa-Museum (beide auf Djurgården). Beide haben mehr als eine Million Besucher pro Jahr. Der Skansen ist das größte Freilichtmuseum der Welt und lädt ein, das Schweden der vergangenen 500 Jahre zu entdecken. Im Vasa-Museum steht die untergegangene, aber extrem gut erhaltene Galeone Vasa aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges im Zentrum – auch für historisch nicht so interessierte Menschen absolut beeindruckend.
Weitere sehr empfehlenswerte Museum sind das ABBA-Museum, Moderna Museet, Fotografiska und das Nordische Museum.
Cafés, Bars und Clubs
Ein Tag mit vielleicht mehr als einem Museumsbesuch und langen Wanderungen durch die schönen Straßen der Stadt kann anstrengend sein. Zur Fika-Pause braucht man also schöne Cafés. Und um den Tag entspannt ausklingen zu lassen, gute Bars und Clubs.
Und auch hier kann Stockholm punkten.
In allen Stadtteilen im Zentrum, also Gamla Stan, Södermalm, Norrmalm und Östermalm, findest du unzählige Locations, die du ansteuern kannst. Die meisten Bars und Clubs haben sich zum einen in der Götgatan in Södermalm und zum anderen rund um den Stureplan in Östermalm angesammelt. Am Stureplan können die Spy Bar und Hell’s Kitchen emfohlen werden, in Södermalm Patricia, Kvarnen, Imperiet und viele mehr.
Das ist aber nur eine winzig kleine Auswahl. Am besten ist, du lässt dich einfach durch die Straßen treiben, dann wirst du schnell etwas finden.
Schären
Stockholm hat schon jetzt alles, was eine traumhafte Stadt braucht: viel Kultur, ein buntes Café- und Nachtleben, schöne Orte, Wasser und Natur. Aber Stockholm hat noch einen weiteren Trumpf im Ärmel: die Schären.
Und als wäre nur ein Schärengarten etwas zu wenig, wartet die schwedische Hauptstadt gleich mit zwei auf: mit den inneren Schären im See Mälaren und den äußeren in der Ostsee.
Ein Ausflug in die Schären gehört beim Besuch der Hauptstadt dazu. Denn ohne die Inselwelt gesehen zu haben, hat man nicht die ganze Stadt gesehen. Ausflugsboote sowohl in den inneren als auch den äußeren Schärengarten gibt es zuhauf.
Kaum verlässt du die Großstadt, wirst du spüren, dass in den Schären ein anderer Takt schlägt. Obwohl du nur wenige Minuten mit dem Boot gefahren bist, ist die lärmende Stadt plötzlich ganz weit weg. Stattdessen rote und weiße Holzhäuser, Segelboote, Stege, auf denen Kinder spielen, Wälder und zwischen den Inseln die teilweise sehr engen Wasserstraßen. Weit draußen auf Sandhamn oder Utö oder auch ganz nah an der Innenstadt auf den Fjäderholmarna kannst du spazieren, Kaffee trinken, baden oder einfach mit einem Buch in der Hand faul am Strand liegen.
Auf die Schären zu fahren, ist ein wenig wie Urlaub im Urlaub machen.
Stockholm – eine Stadt, um sich treiben zu lassen
Das ist der Grund, weshalb ich Stockholm so liebe. Die Stadt bietet alles, was man von einer Großstadt erwartet. Aber darüber hinaus noch so viel mehr. Stockholm ist eine Stadt, in der ich mich treiben lassen kann. Das meine ich im übertragenen Sinn, aber auch ganz wörtlich. Denn die Stadt lässt sich hervorragend in einem Kajak auf dem Wasser treibend entdecken.
Und wenn ich mich treiben lassen kann, dann fühle ich mich wohl, dann will ich nicht mehr weg.
In keiner Hauptstadt kann ich das so gut und so intensiv wie in Stockholm. Danke Sthlm!
Du suchst nach dem Soundtrack für deinen Stockholm-Besuch? Hier ist ein kleiner Anfang:
- Lars Winnerbäck: Stockholms kyss*
- Magnus Uggla: Varning på stan*
- Patrick Isaksson: Mitt Stockholm*
Liebst du Stockholm auch? Was macht für dich diese Stadt aus? Ich freue mich auf deinen Kommentar!
Beitragsbild: Susanne Walström / imagebank.sweden.se
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Stockholm ist eine schöne Stadt. ich würde gern noch einmal dort hin. Iris Kretzschmar Am Sportplatz 2 39164 Seehausen / Börde.