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Sigtuna – eine Stadt mit langer Vergangenheit

Sigtuna Stora Gatan

Wir schlendern die Fußgängerzone von Sigtuna entlang, die Stora Gatan – und sie ist beinahe menschenleer. Das ist wohl einmalig, vor allem weil es ein herrlicher Sommertag ist, und so wahrscheinlich nur im Corona-Sommer 2020 möglich. Normalerweise ist die Stora Gatan gut gefüllt. Schließlich ist sie auch eine ganz besondere Straße – so wie Sigtuna eine besondere Stadt ist.

Mit knapp 10.000 Einwohnern zählt Sigtuna wahrlich nicht zu den großen Städten Schwedens. Uppsala und Stockholm sind nicht weit entfernt und überstrahlen die Kleinstadt am Ufer eines nördlichen Seitenarms des Mälarensees. Vor 200 Jahren hatte Sigtuna gerade einmal etwas mehr als 400 Einwohner, nochmals 100 Jahre früher waren es um die hundert. Ein kleines Nest.

Aber eines mit großer Vergangenheit.

Denn im Jahr 1000 hatte Sigtuna stolze 1000 Einwohner. In dieser Zeit war dies eine große Zahl. Sigtuna war ein Zentrum des Handels, der Kirche und des Reichs. 30 Jahre zuvor – im Jahr 970 – war die Stadt von König Erik Segersäll gegründet worden. Damit ist Sigtuna die älteste Stadt Schwedens, die noch heute existiert. Der ursprüngliche Stadtplan ist bis heute im Großen und Ganzen erhalten. Bereits damals, vor mehr als 1000 Jahren, verteilten sich die Häuser am Ufer des Mälaren entlang einer zentralen Straße, die noch in der Gegenwart mehr oder weniger den gleichen Verlauf hat wie damals: die Stora Gatan. Hier wandelt man also wirklich historisch.

Die Stora Gatan in Sigtuna
Die Stora Gatan in Sigtuna – heute mit demselben Verlauf wie vor 1000 Jahren


Sigtuna und Birka – die beiden ältesten Städte Schwedens

Sigtuna ist die älteste noch heute bestehende Stadt, aber nicht Schwedens älteste überhaupt. Die alte Wikingerstadt Birka auf der Insel Björkö, ebenfalls im Mälaren, ist deutlich älter und wurde ca. 790 n. Chr. gegründet. Das Schicksal beider Städte ist aufs Engste miteinander verbunden. Nur wissen wir leider nicht genau wie. Jedenfalls fällt die Gründung von Sigtuna genau in die Zeit des Niedergangs Birkas. Sigtuna übernahm die Rolle des neuen zentralen Handelsplatzes, während Birka nach und nach aufgegeben wurde.

Warum? Tja, man weiß es nicht genau. Eine Theorie geht davon aus, dass König Erik Segersäll von einem Königreich ähnlich denen im restlichen Europa träumte und dass er wusste, dass dies nur in Zusammenarbeit mit der christlichen Kirche möglich wäre. Also wurde Sigtuna als christliche Stadt angelegt, als geistiges Zentrum. Die Missionierung Birkas war hingegen mehrmals missglückt.

Oder die Entscheidung für Sigtuna und gegen Birka war viel pragmatischer. Eine andere Theorie besagt nämlich, dass Birka nicht gut genug verteidigt werden konnte, Sigtuna also strategisch besser lag.

Wie es auch immer gewesen war, Birka schaute seinem Ende entgegen, während Sigtuna als neue Stadt einer glänzenden Zukunft entgegensah. Archäologische Funde aus der Zeit um die Jahrtausendwende vom 1. zum 2. Jahrtausend zeigen, dass Handel mit Byzanz, Ukraine, Russland und vielen anderen Regionen Europas getrieben wurde. Unter Eriks Sohn Olof Skötkonung und dessen Nachfolger wurden innerhalb von 30 Jahren schätzungsweise zwei Millionen Silbermünzen geprägt. Außerdem wurde Sigtuna Bischofssitz. Damit war die Stadt vor allem eins: ein Machtzentrum.

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Sigtuna ist die Stadt der Runensteine und der Kirchenruinen

Dort, wo früher die erste steinerne Domkirche stand, befindet sich heute das Stadtmuseum, in dem du dich auf Spurensuche durch diese spannende Vergangenheit machen kannst. Dort kannst du auch die Broschüre für Kinder holen, mit denen du dich zusammen mit deinen Kids auf Runensteinsuche begeben kannst. 30 Stück gibt es allein in Sigtuna, 170 auf dem Gebiet der Kommune.

Sigtuna - S:t Olofs Kirchenruine
Die eindrucksvolle Ruine der Kirche Sankt Olof

Neben den Runensteinen legen die Kirchenruinen Zeugnis von der Frühzeit Sigtunas ab. Mindestens sechs oder sieben Steinkirchen wurden in den ersten zwei Jahrhunderten nach der Stadtgründung gebaut. Heute sind noch die Ruinen von drei dieser Kirchen zu sehen. Spannend ist es, zwischen den dicken Gemäuern der Sankt Olofs-Kirchenruine umherzugehen. Sie wirkt mehr wie eine Festung denn eine Kirche.


Vom Machtzentrum zum Dorf

Der Weg von der Sankt Olofs-Ruine zurück zur Stora Gatan führt uns am Rathaus vorbei. Die Fassade ist aus gelb angemaltem Holz, auf dem Dach steht ein spitzes Türmchen. Irgendwie wirkt es etwas unbeholfen und so – ja – so klein. Das Rathaus ist nicht nur klein, es ist sogar das kleinste Rathaus in Schweden. Dreihundert Jahre hat es mittlerweile auf dem Buckel. Als es gebaut wurde, war nichts mehr vom früheren Glanz der Stadt zu spüren. Sigtuna war arm, heruntergekommen und nur noch ein winziges Dorf.

Sigtuna - Das kleinste Rathaus Schwedens
Das kleinste Rathaus Schwedens

Der Abstieg der Stadt begann bereits im 12. Jahrhundert, als der Bischofssitz nach Uppsala verlegt wurde und Sigtuna bei einem Angriff niedergebrannt wurde. Das war aber noch nicht das Ende, denn 1237 entstand ein Dominikanerkloster. Die Klosterkirche Sankta Maria, gemauert aus Ziegelstein, prägt noch heute das Stadtbild. Mit der Reformation wurde das Kloster aufgelöst. Es wurde still um Sigtuna.

Inzwischen ist Sigtuna ein beliebtes Ausflugsziel. Eine Stunde dauert die Fahrt mit dem Zug von Stockholm. In der Stora Gatan kann man entspannt an gemütlichen Holzhäusern entlang schlendern und bummeln. Zur Fika-Pause oder zu einem kleinen Snack lädt das Café Tant Bruns Kaffestuga, das im ältesten Holzgebäude der Stadt beheimatet ist. Wir sitzen auf einem herrlichen Hinterhof, genießen Smörgåsar und Kaffee, während eine ganze Spatzenfamilie nur darauf wartet, ein paar Brösel vom Essen abzubekommen.

Die Außenfront der Tant Bruns Kaffestuga

Gemütlich ist es hier – wie in der gesamten Stadt. Es hat eben auch Vorteile, nicht mehr das Zentrum von Handel, Kirche und Macht zu sein.

Sigtuna zählt für uns zu den 15 schönsten Städten Schwedens.

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