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Mariefred – Schwedenidyll mit massig Geschichte

Mariefred

Schweden hat nur wenige Großstädte, in denen man mehrere Tage bleiben sollte, um die Stadt wirklich kennenzulernen. Dafür sind im ganzen Land aber viele Kleinstädte verstreut, die unglaublich viel Charme haben und – auch wenn sie nicht allzu groß sind – unbedingt einen Besuch wert sind. Mariefred am Südufer des Mälaren ist eine solche Stadt. Eine kleine Perle.

Von der Autobahn kommend fahre ich auf die kleine Stadt mit ihren 4000 Einwohnern zu. Gleich am Ortseingang taucht rechts jenes Gebäude auf, für das Mariefred vor allem bekannt ist: Schloss Gripsholm. Das Städtchen wäre auch ohne Schloss sehenswert (dazu später noch mehr), gleichwohl darf man dieses mächtige, fast schon wie eine Burg wirkende Gebäude nicht links liegen lassen.

Ich lasse das Auto stehen, gelange über eine kleine Brücke auf eine Insel und gehe durch das Tor unter der dicken Mauer hindurch, wo ich auf einen ersten Innenhof gelange. Das Schloss hat nichts Filigranes, wie man es beispielsweise von einem Barockschloss erwartet. Es ist älter, stammt aus unruhigeren Zeiten und sollte daher vor allem Macht ausstrahlen und Schutz bieten. Beim Blick auf die Mauern bin ich überzeugt davon, dass es beides tat.

Turm von Schloss Gripsholm
Einer der mächtigen Türme von Schloss Gripsholm

Der Vater errichtet’s, die Söhne sperren sich gegenseitig ein.

Den Vorgänger des Baus errichtete der Adlige Bo Jonsson Grip in den 1370er Jahren. Von ihm hat das Schloss seinen Namen. Die heutige Gestalt erhielt es aber erst in der Zeit Gustav Vasas, der die alte Burg abreißen und ab 1537 das Schloss so errichten ließ, wie es heute vor uns steht: massive Mauern aus rotem Ziegel, vier mächtige, dicke Türme. Sonderlich modern war es schon zu der Zeit, als es gebaut wurde, nicht.

Ein ideales Gefängnis, wie die Söhne Gustav Vasas feststellen durften. Im Ringen um die Macht und die Krone nach dem Tod ihres Vaters setzte zunächst König Erik XIV seinen Halbbruder Johan und dessen Gemahlin in Gripsholm gefangen. Johan revanchierte sich später, als er selbst die Königswürde erkämpft hatte, und ließ den abgesetzten Erik hier einsperren. Gripsholm macht sich gut in diesem schwedischen Games of Thrones …

Schloss Gripsholm
Schauplatz einiger Fehden: Schloss Gripsholm

Gripsholm – Gefängnis, Theater und Schauplatz einer Sommergeschichte

In den 1780er Jahren ließ König Gustaf III. in den dicksten der Türme ein barockes Theater einbauen, das heute noch besichtigt werden kann und absolut faszinierend ist. Neben diesem Theater, vielen anderen Räumen, die die Geschichte der vergangenen Jahrhunderte atmen, ist auch die staatliche Porträtsammlung sehenswert. Fast 5000 Porträts umfasst die Sammlung, von denen aber natürlich nicht alle im Schloss ausgestellt sind.

Bekannt ist das Schloss Gripsholm besonders im deutschsprachigen Raum auch durch Kurt Tucholskys kurze Erzählung Schloss Gripsholm. Eine Sommergeschichte* aus dem Jahr 1931. Tucholsky hatte zusammen mit seiner Geliebten zwei Jahre zuvor selbst eine gewisse Zeit in Mariefred verbracht. Der Publizist und Satiriker suchte nach einem dauerhaften Aufenthaltsort in Schweden, fand diesen schließlich in Hindås bei Göteborg, wo er 1935 starb.

Kurt Tucholskys Grab in Mariefred

Dass er nicht dort, sondern auf dem Friedhof in Mariefred beerdigt wurde, hat viel mit seiner Sommererzählung zu tun. Schade finde ich allerdings, dass es der Grabspruch, den Tucholsky selbst einmal für sein Grab vorgeschlagen hatte, nicht auf den Grabstein schaffte. Dann stünde da:

„Hier ruht ein goldenes Herz und eine eiserne Schnauze. Gute Nacht!“

Kurt Tucholskys Vorschlag für seinen Grabspruch

In Tucholskys Erzählung spielt der Ort Mariefred keine allzu große Rolle, wird aber doch hin und wieder beschrieben. Wenn man die Geschichte heute liest, bekommt man den Eindruck, das Städtchen habe sich während all der Jahre nicht großartig verändert.

Malerisches Mariefred
Einfach malerisch – selbst wenn es bewölkt ist

Die Industrialisierung ließ Mariefred links liegen – ein Glück!

Nein, eigentlich hat es sich in den vergangenen 200 bis 300 Jahren nicht wirklich verändert. Mariefred hatte das Glück, dass die Industrialisierung an der Stadt vorbeiging. Dadurch wuchs Mariefred zwar nie sonderlich, wurde aber vor hässlichen Fabriken oder funktionalen Wohnsilos verschont. Stattdessen blieb das alte Stadtbild erhalten.

Und das ist wunderschön!

Malerisch liegt der Ort am Ufer des Mälaren. Niedrige Holzhäuser reihen sich in engen Straßen aneinander. Das Zentrum ist wahrlich nicht groß, aber richtig schön. Im besten Sinne gemütlich. Besonders schön haben es die Enten. Denn auf der winzigen Insel Ankholmen wurde ihnen eine sehr hübsche Unterkunft gezimmert.

Ankholmen in Mariefred
Ankholmen – die Insel der Enten

Mit dem Schiff nach Mariefred: seit über 100 Jahren einzigartig

Ich stehe in der Nähe von Ankholmen am Ufer, ein paar Sportboote liegen hier vertäut, und blicke hinüber Richtung Schloss. Am Anlegesteg wartet der alte Dampfer S/S Mariefred auf die Passagiere, die zurück nach Stockholm wollen. Die Mariefred ist ein absolutes Unikat. Seit 1903 (!) fährt das Dampfschiff die Strecke Stockholm – Mariefred. Kein anderes Schiff weltweit hat es geschafft, ähnlich lange die immer gleiche Strecke zu fahren. Wer also in Stockholm Urlaub macht und nach Mariefred möchte, sollte unbedingt mit dem Schiff anreisen.

Wenn man nicht gleich wieder zurück in die Hauptstadt möchte, lohnt sich eine Übernachtung im Vandrarhem Djurgårdsporten. Schief sind hier in diesem alten Gebäude alle Decken und Wände. Der Komfort ist einfach, aber die Zimmer mit so viel Liebe gestaltet, dass man sich hier pudelwohl fühlt.

Wer mit dem Wohnmobil oder Zelt anreist, ist hingegen auf dem Campingplatz richtig. Zwar liegt er etwas außerhalb, dafür wunderschön direkt am See und mit Blick auf Mariefred und Gripsholm.

Schwedische Tapas in der Rasierstube

Allmählich knurrt mein Magen. Ich suche mir etwas zu essen. Das Gripsholms Värdshus ist sicherlich eine gute Wahl. Immerhin ist es die älteste Gaststätte Schwedens, deren Wurzeln bis ins Jahr 1609 zurückreichen. Dann fällt mir aber die Rakstugan ins Auge, ein winzigkleines Lokal in einem früheren Barbierladen. Hier werden – passend zur Lokalgröße – kleine Gerichte serviert, eine Art schwedische Tapas. Ich stelle mir also selbst ein kleines Menü zusammen, indem ich drei Gerichte wähle. Ein spannendes Konzept und zudem richtig lecker.

Rakstugan in Mariefred
Das winzigkleine Lokal Rakstugan in Mariefred

Hier klingt auch der Abend aus, ehe ich durch die romantisch beleuchteten Sträßchen zurück zum Auto schlendere. Kurz nach 21 Uhr ist die Stadt wie ausgestorben. So sind sie eben, die gemütlichen schwedischen Kleinstädte.

Die 15 schönsten schwedischen Städte findest du hier im Überblick.

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