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Im Netz der Spinne – der neue Roman von Lars Kepler

Spinnennetz über Stockholm

Ich liebe skandinavische Krimiserien wie „Die Brücke“. Und ich verfluche sie. Denn einmal angefangen, ist es beinahe unmöglich, zwischen einer der Folgen eine Pause zu finden. Kurze Nächte und viel zu viele Stunden vor dem Fernseher sind die Folge. Lars Kepler ist in dieser Hinsicht – und nicht nur in dieser – wie eine solche Krimiserie. Jetzt ist der neueste Band „Spinnennetz“ erschienen. Ich habe ihn gelesen, kurze Nächte inklusive.

Lars Kepler sind eigentlich zwei Autoren. Hinter dem Pseudonym verbirgt sich das Ehepaar Alexandra und Alexander Ahndoril. Vor über zehn Jahren haben sie ihre Protagonisten, die Ermittler Joona Linna und Saga Bauer, zum Leben erweckt. Im nunmehr neunten Fall, der am 27. Januar 2023 in die deutschen Buchläden kam, jagen sie einen Serienmörder, die Spinne (daher auch der Originaltitel „Spindeln“, die Spinne).

Alles beginnt mit dem rätselhaften Verschwinden der Chefin von Joona Linna. Wenig später wird auf einer Schäreninsel bei Kapellskär nördlich von Stockholm ein grausiger Fund gemacht. Auf einem ehemaligen Cholerafriedhof findet eine Gruppe Senioren einen Sack – in ihm: eine stinkende Flüssigkeit und Reste von dem, was einmal ein menschlicher Körper gewesen ist.

Die Jagd auf die Spinne. Oder jagt die Spinne die Ermittler?

Saga Bauer erinnert sich nun an eine Karte, die sie vor drei Jahren erhalten hat. Auf ihr stand eine mysteriöse Nachricht: Jemand habe neun Kugeln, die letzte sei für Joona Linna, nur Saga Bauer könne ihn retten. Unterschrieben ist die Karte von Jurek Walter, einem der schlimmsten Serienmörder, die Schweden je zu Gesicht bekommen hat. Doch Walter ist tot. Und noch etwas lässt Saga aufhorchen, denn das Postkartenmotiv ist exakt der Cholerafriedhof, auf dem die Leiche gefunden wurde…

Damit beginnt eine extrem spannende Jagd nach der Spinne, die kreuz und quer durch Stockholm und die Umgebung führt. Doch je länger Saga und Joona jagen, je mehr Rätsel sie lösen, desto mehr erhalten sie den Eindruck, dass sie sich längst inmitten des Netzes der Spinne befinden.

Lars Kepler – in der Tradition der schwedischen Krimis?

Saga und Joona leiden in diesem Fall einmal mehr enorm viel. Ihre persönlichen Geschichten und frühere Fälle nehmen sie mit in diesen Fall, sie können sie nicht abschütteln. Ich konnte Alexandra und Alexander Ahndoril interviewen und fragte sie dabei auch, ob sie denn mit ihren Protagonisten mitleiden.

„Sie sind keine James Bond-Figuren, die sich einfach den Staub aus den Klamotten klopfen und im neuen Buch wieder dastehen, als wäre nichts geschehen. In „Spinnennetz“ gerät Saga in den Fokus eines extremen Serienmörders, zugleich kämpft sie mit dem eigenen Dunkeln in ihr und mit ihren schrecklichen Schuldgefühlen. Wir wünschen uns manchmal, dass wir es sowohl Saga als auch Joona leichter machen könnten, aber das geht nicht.“

Alexandra und Alexander Ahndoril (Lars Kepler)

Leidende Hauptfiguren, die einen schweren Rucksack an Erfahrungen mit sich herumtragen, das macht Geschichten nicht nur fesselnder, da wir als Leser mitfühlen, mitleiden, mithoffen, es ist auch ein sehr typisches Merkmal für den skandinavischen Krimi. Man denke nur an Kommissar Beck oder Kurt Wallander.

Auch dass die Geschichten sehr düster sind, passt zum Krimi aus Schweden. Aber Lars Kepler wendet sich in einer Sache auch ein wenig von den Traditionen ab. Denn während viele Krimis aus Skandinavien mit Gesellschaftskritik nicht sparen, taucht davon bei der Reihe um Saga Bauer und Joona Linna relativ wenig auf. Ich möchte damit nicht sagen, dass überhaupt nichts Gesellschaftskritisches vorkommt, aber es steht jedenfalls nicht so sehr im Mittelpunkt wie etwa bei Henning Mankell, Stieg Larsson oder Åke Edwardsson.

Vielmehr ist es der Fall, die pure Spannung, um die es geht.

Erzählt wie eine Netflixserie

Und Spannung, das kann Lars Kepler. Mehrfach beim Lesen habe ich eine Verfilmung als Serie vor Augen gehabt. Ja, es kam mir manchmal so vor, als wäre das Buch eine direkte Vorlage für eine Verfilmung. Mehrere Episoden, in denen immer eine andere Figur im Fokus steht. Fiese Cliffhanger inklusive. Man kann nicht abschalten beziehungsweise eben das Buch zuklappen.

Auch die Sprache erinnert an den Film. Sie ist ziemlich karg und wenig kunstvoll. Sie konzentriert sich vollkommen auf das Wesentliche, auf Dialoge, auf das, was die Handlung vorantreibt. Für lange Abschweifungen, philosophische Gedanken, innere Monologe, wie man sie beispielsweise von Åke Edwardssons Krimis kennt, bleibt da wenig Zeit. Das ist manchmal schade, da ich Saga und Joona gerne noch besser kennenlernen, noch besser verstehen würde. Andererseits: Die Handlung fliegt durch diese Reduzierung aufs Wesentliche nur so dahin. Es bleibt keine Zeit für eine Pause, fürs Atemholen, es muss weitergelesen werden. Ein wahrer Pageturner.

Lars Kepler Spinnennetz
Bild: Bastei Lübbe Verlag

Und daher kann ich den neuen Roman von Lars Kepler „Spinnennetz“ wärmstens empfehlen, auch wenn es sprachlich-stilistisch sicherlich kunstvollere Krimis gibt. Wer Spannung liebt und wer kreuz und quer durch Stockholm jagen und dabei auch ganz neue Orte entdecken möchte, der wird mit diesem Buch voll auf seine Kosten kommen.

„Spinnennetz“ von Lars Kepler erschien am 27. Januar 2013 auf Deutsch im Bastei Lübbe Verlag. Das schwedische Original erschien bereits 2022 und avancierte zum erfolgreichsten Belletristik-Werk des Jahres.

Das gebundene Buch kostet 23,- Euro.

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