Wo anfangen: Bei der Sonne, die mitten in der Nacht durch das nach Norden ausgerichtete Fenster scheint und mich wach hält? Bei der Sommerhitze von 30 Grad und dem dicken Sonnenbrand, den ich mir auf einer Wanderung hole, weil ich damit einfach nicht gerechnet habe? Der Begegnung von Wanderer und Skifahrer im Frühsommer? Oder doch eher bei der nicht greifbaren Weite und Stille? Lappland ist anders, und es fordert dich und deine Sinne. Ein kleiner Streifzug durch Schwedens Norden.
Die weite Landschaft zieht draußen an mir vorbei. Endlos. In der Ferne erheben sich Berge, auf denen noch Schnee liegt, davor braungrüne Tundra, Gebüsch, hier und da ein kleines Wäldchen mit kleingewachsenen Birken. Ich bin irgendwo nördlich von Kiruna. Der Zug tutet. Erneut. Dann springen rechts und links der Gleise Rentiere davon. In einer gewissen Entfernung zieht sich die Straße, die E10 ins norwegische Narvik, wie eine schwarzgraue Schlange durch die Landschaft.
Der Zug, in den ich am vorherigen Abend in Stockholm gestiegen bin, hat mich bald ans Ziel in Abisko gebracht. Die Strecke zwischen Luleå und Narvik wird auch Malmbanan genannt, die Eisenerzstrecke. Denn sie wurde nicht etwa für den Personenverkehr eingerichtet, sondern damit die Rohstoffe aus den riesigen Gruben in Kiruna und Malmberget bei Gällivare abtransportiert werden konnten. Nur dank der Eisenbahn konnte die abgelegene Region erschlossen werden. Nicht nur deswegen ist der Zug das ideale Transportmittel, um nach Lappland zu reisen.
Lappland oder Sápmi?
Wenn ich von Lappland spreche, dann meine ich die historische Landschaft. Das ist die Region in Nordschweden ab dem Ort Dorotea bis hinauf zur norwegisch-finnischen Grenze, wobei der Küstenstreifen an der Ostsee nicht mitgerechnet wird. Die Küste sind die Landschaften Väster- und Norrbotten.
Mit Lappland könnte man jedoch auch das Land der Samen, der nordischen Urbevölkerung, meinen. Dann sollte man aber besser von Sápmi sprechen, da das Wort „Lappen“ von den Samen selbst als kolonialistisch bewertet und oftmals als Beleidigung wahrgenommen wird. Die Grenzen von Sápmi sind nicht klar gezogen. Wie sollten sie auch, wenn sich die Renzucht nicht an Landbesitz und -grenzen orientiert? Das Land der Samen zieht sich von Nordnorwegen über das schwedische Lappland bis hinunter nach Jämtland, es fallen auch die Landschaften Väster- und Norrbotten darunter, ebenso weite Teile Nordfinnlands bis hin zur russischen Kolahalbinsel.
Bevor schwedische Siedler ab dem 17. Jahrhundert vermehrt in diese abgelegene Region zogen, war sie fast ausschließlich von Samen bewohnt, die ihr Land „Sápmi“ nennen. Schätzungsweise 80.000 bis 100.000 Samen leben in „Sápmi“, davon etwa 35.000 in Schweden. Viele Samen lebten nomadisch und einige – aber längst nicht alle – von der Rentierzucht. Gerade entlang der Küsten ernährten sich viele der Ureinwohner des Nordens vom Fischfang.
Mehr zu den Samen erscheint hier am 6. Februar, am samischen Nationaltag.
Wachstum dank Eisenerz und Eisenbahn
Die Besiedlung Lapplands durch Schweden aus dem Süden begann hauptsächlich mit dem Fund von Eisenerz im 17. Jahrhundert. Vor allem drei Bergbaugebiete wurden groß und lockten eine Vielzahl an neuen Einwohnern in den kargen, hohen Norden: Malmberget bei Gällivare und Luossavaare und Kiirunavaara bei Kiruna. Beide Städte sind heute Zentren in Lappland und haben ihre Existenz einzig dem Eisenerz zu verdanken.
Nach der ersten Erschließung der Eisenerzgruben wuchsen die Orte jedoch nur langsam. Viel zu unzugänglich waren die Gebiete und der Abtransport des Eisenerzes aus der Wildnis mit Rentier- oder Pferdeschlitten umständlich und teuer. Erst als Ende des 19. Jahrhunderts sowohl Gällivare als auch Kiruna an die Eisenbahn, die sog. Malmbanan, angeschlossen wurden und lange Güterzüge nun den Transport übernahmen, legte der Abbau der Bodenschätze merklich zu.
Immer mehr Menschen zogen in den Norden, um hier Arbeit zu finden. Siedlungen, die oft eher Slums glichen, wurden hochgezogen. In Malmberget bei Gällivare wurde eine solche Siedlung, die Kåkstan, rekonstruiert und ist heute als Freilichtmuseum zu besichtigen. Wirklich einladend wirken die Behausungen nicht. Dennoch wuchsen die Städte zu Beginn des 20. Jahrhunderts rasant.
Städte, die umziehen müssen
Für beide Orte hat der Bergbau aber nicht nur positive Folgen. Denn die Schächte wurden immer tiefer ins Erdreich und dabei auch unter die bewohnten Gebiete getrieben. Dadurch gab und gibt der Boden an mehrere Stellen nach, Erdrutsche und Einstürze sind möglich. Im Ort Malmberget bei Gällivare wurden schon manche Häuser umgezogen und mehrere abgerissen. In Kiruna sind die Ausmaße noch größer, da der Ortskern verlagert werden muss.
Aber verlassen wir die Städte. Denn auch wenn Kiruna sicherlich interessant und sehenswert ist, so ist in Lappland doch die Natur das Entscheidende. Und die hat es in sich.