Da steht man also im Herzen dieser gar nicht so großen Stadt und ist baff. Der zentrale Marktplatz ist riesig, die Fredrikskirche am Ende des Platzes erinnert in ihrer barocken Bauart eher an Südeuropa als an Schweden. Daneben reckt sich ein neoromantischer Turm in die Höhe. Das ist ziemlich beeindruckend – und irritierend, dies in einer Stadt von gerade einmal 40.000 Einwohnern zu finden. Karlskrona ist eine spezielle Stadt. Immerhin war sie auch mal drauf und dran, schwedische Hauptstadt werden.
Gegründet wurde Karlskrona im Jahr 1680 von König Karl XI, von dem die Stadt auch ihren Namen hat. Zu diesem Zeitpunkt war die Region Blekinge, deren größte Stadt Karlskrona heute ist, erst seit Kurzem schwedisch. Bis zum Frieden von Roskilde 1658 gehörten Blekinge ebenso wie Skåne und Halland noch zu Dänemark. An der Ostküste war Kalmar die südlichste Stadt Schwedens. Indem die südlichen Provinzen hinzukamen, veränderte sich geopolitisch so manches für Schweden.
Zuvor lag Stockholm strategisch ziemlich günstig. Verborgen hinter dem weitläufigen Schärengarten war die Hauptstadt gut geschützt vor Angriffen von der Seeseite. Jetzt aber, wo der Süden der skandinavischen Halbinsel zu Schweden gehörte, hatte man plötzlich einen viel stärkeren Zugriff auf den südlichen Teil der Ostsee. Außerdem gehörten seit dem Westfälischen Frieden 1648 Teile des heutigen Mecklenburg-Vorpommerns sowie das Gebiet zwischen Bremen und Stade zu Schweden. Gebiete, die weit weg von der schwedischen Hauptstadt waren.
Karlskrona – entstanden am Reißbrett
Für König Karl XI. war die Sache klar: Eine neue Stadt musste her, die deutlich weiter südlich als Stockholm lag. Sie sollte mächtig sein, gut befestigt, Basis der schwedischen Flotte, damit man von hier aus die südliche Ostsee kontrollieren konnte.
Die Flotte machte von Anfang an den Kern und das Wesen von Karlskrona aus. Das zeigt sich unter anderem daran, dass noch ehe die Stadt gegründet wurde, eine Werft – die Karlskronawerft – 1679 ihren Betrieb aufnahm. Bis heute ist sie in Betrieb; und auch wenn nicht mehr so viele Schiffe wie einst aus ihren Docks auslaufen, so werden doch auch heute noch schwedische Militärschiffe und U-Boote hier gebaut.
Die Stadt wurde auf dem Reißbrett geplant. Auf der Insel Trossö entstand eine Festung mit einer Vielzahl an militärischen Gebäuden. Der erste Stadtplan von 1683 macht deutlich, dass es sich bei Karlskrona zunächst weniger um eine Stadt als vielmehr um eine reine militärische Anlage handelte. Daraufhin wurde der Plan nochmals vom Architekten und Stadtplaner Erik Dahlberg überarbeitet, der nun auch Wohngebäude für zivile Mitbürger einplante.
Auf dem Weg zur Hauptstadt – und ein schnelles Ende großer Pläne
So wuchs Karlskrona heran – und wie! Bereits 1710 war sie die drittgrößte Stadt Schwedens. Nur Stockholm und Riga (Lettland war zum damaligen Zeitpunkt schwedisch) waren größer. Es gab Pläne, die vorsahen, dass Karlskrona die neue Hauptstadt werden und damit Stockholm ablösen sollte. Der Große Nordische Krieg Anfang des 18. Jahrhunderts, in dem Schweden nach anfänglichen Siegen viele Niederlagen einstecken musste und der das Ende der schwedischen Großmachtzeit besiegelte, beerdigte jedoch diese Pläne.
Die wesentlich älteren Städte der Umgebung, Ronneby und Sölvesborg, hatten dem raschen Aufstieg der neuen Stadt nichts entgegenzusetzen. Sie fielen in einen Dornröschenschlaf, aus dem sie bis heute nicht mehr so recht aufgewacht sind. Aber auch die große Zeit von Karlskrona war bald wieder vorbei. Das Ende der schwedischen Großmachtzeit kombiniert mit mehreren Pestwellen halten den Aufstieg auf. Nur als Flottenbasis bleibt Karlskrona wichtig. Das Marinemuseum erzählt von dieser Zeit.
Ich mag es eigentlich nicht so sehr, wenn in Reiseführern steht, Dies und Das sei ein Muss. Aber hier ist es wohl so: Das Marinemuseum ist ein Muss, denn ohne die Marine und ihre Geschichte kann man Karlskrona nicht verstehen.
Die Altstadt von Karlskrona Teil des UNESCO-Weltkulturerbes
Aber nicht nur das Museum, die gesamte Altstadt, die seit 1998 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, ist absolut sehenswert. Ein guter Startpunkt ist der Stortorget, jener riesige Platz, den ich eingangs erwähnte. An den Rändern des größten Marktplatzes Schwedens stehen imposante barocke Gebäude und mitten auf dem Platz die bronzene Statue des Stadtgründers Karl XI.
Es ist sicherlich nicht übertrieben, wenn ich sage, dass diese Statue zu den berühmtesten in ganz Schweden gehört. Wahrscheinlich kennst du sie, auch wenn du noch nie in Karlskrona warst. Nils Holgersson ist nämlich auf seinem Zwischenstopp in Blekinge etwas frech zur Statue, woraufhin diese von ihrem Sockel steigt und den Däumling durch die Straßen und Gassen der Stadt verfolgt. Der arme Nils Holgersson ist schon ganz verzweifelt, als ihm eine zweite Statue zu Hilfe eilt.
Wenn man vom Stortorget nach Süden geht, gelangt man zunächst an den Amiralitetspark mit einem beeindruckenden Glockenturm. Östlich davon steht die Amiralitetskirche. Die Holzkirche stammt aus der Gründungszeit Karlskronas, ist fast so alt wie die Stadt und ebenfalls Teil des Weltkulturerbes. Dorthin kommt auch Nils Holgersson auf seiner Flucht vor der Königsstatue. Vor der Kirche trifft er auf eine andere Statue, eine aus Holz. Sie hebt den Hut und versteckt den kleinen Nils darunter, sodass die Bronzestatue vom Hauptmarkt ihn nicht finden kann.
Die Statue Rosenbom – Retter des kleinen Nils Holgersson
Die Holzstatue namens Rosenbom steht nachweislich bereits seit Ende des 18. Jahrhunderts vor der Kirche, vielleicht sogar schon länger. Bei Selma Lagerlöf ist jener Rosenbom, der Nils rettet, ein Seemann. Das ist historisch wahrscheinlich nicht ganz korrekt. Denn nach allem, was man über Rosenbom in Erfahrung bringen konnte, stammte er wohl von den Åland-Inseln und ließ sich kurz nach Stadtgründung in Karlskrona nieder. Er verarmte jedoch und sprach dem Alkohol etwas zu sehr zu. In seiner Not fing er an zu betteln. Eines kalten Wintertages bettelte er bei einem Kapitän, wobei er sich verbeugte und dabei seinen Hut verlor. Der Kapitän hob den Hut auf und meinte lachend:
„Wer vom Rosenbom Dank haben will, muss ihm also den Hut hochheben.“
Diesen Spruch fand Rosenbom witzig und probierte ihn gleich beim Bildhauer Kolbe aus. Doch dieser konnte daran nichts witzig finden; er stieß Rosenbom in eine Schneewehe und vertrieb ihn. Wenig später überkam ihn dann doch das schlechte Gewissen, woraufhin er Rosenbom suchte. Doch dieser versteckte sich aus Angst vor dem Bildhauer bei der Amiralitetskirche. Am nächsten Morgen wurde er dort erfroren aufgefunden. Kolbe baute daraufhin einen Opferstock in Gestalt des Rosenboms. Wer den Hut der Holzstatue anhebt, kann Geld einwerfen.
Das Original der Statue steht heute in der Kirche. Davor wartet aber eine kaum vom Original zu unterscheidende Kopie auf den Opferwilligen.
Karlskrona – eine Sommerstadt
Im Winter kann es also – nicht nur für Rosenbom – ungemütlich werden in Karlskrona. Und ja, die Stadt ist vor allem im Sommer eine besuchens- und lebenswerte Stadt. Dann sind die Straßen voller Menschen, viele Feste folgen Schlag auf Schlag, darunter das Skärgårdsfest Anfang August (2023 mit Miss Li, Benjamin Ingrosso und Carola), im glitzernden blauen Meer tummeln sich Badende und Boote. Karlskrona ist eine Sommerstadt.
An einem warmen Sommertag ist ein leckeres Eis Pflicht. Es gibt mehrere Eisdielen in Karlskrona, aber nur eine, die wirklich heraussticht: Glassiären am Stortorget. Manchmal sind die Schlangen lang (30 Minuten Wartezeit können schon mal drin sein), aber das Warten lohnt sich.
Gestärkt vom Eis kann es dann auf Schärentour gehen. Karlskrona ist auf 33 Inseln erbaut. Auf den vorgelagerten Inseln befinden sich noch alte Festungen. Und Strände gibt es ohnehin in Hülle und Fülle. Die Badesachen sollten also auf jeden Fall mit in dieser Stadt des Meeres.
Karlskrona zählt für uns zu den 15 schönsten Städten Schwedens.
Beitragsbild: VisitKarlskrona