Plötzlich muss alles „Hygge“ sein. Wer wirklich glücklich leben will, der sollte es sich dringend „hyggelig“ machen. So sagt es zumindest der Trend aus Dänemark. Oder besser gesagt all diejenigen, die uns „Hygge“ als Trend, als neuesten Modeschrei verkaufen wollen. Wie bei so vielen Trends sollte man genauer hinschauen.
Was ist „Hygge“ überhaupt?
Es gibt jetzt sogar eine Zeitschrift, die „Hygge“ heißt. In Büchern, die in den letzten Monaten auf den Markt geworfen wurden, kann man nachlesen, wie es sich „hyggelig“ leben lässt oder wie man seine Wohnung „hyggelig“ einrichtet. Allein wie dieser Trend momentan gehypt wird, erscheint dabei alles anderes als „hyggelig“, ja, geradezu „ohyggelig“. Und das auch noch in Deutschland, wo die Deutschen von den Skandinaviern gerne als Prototyp des „ohyggeligen“ Menschen angesehen werden.
In Dänemark, dem Ursprungsland von „Hygge“, würde auch niemand von einem Trend sprechen. Denn es ist alles anderes als das. „Hygge“ ist schon seit jeher fester Bestandteil dänischer (und norwegischer!) Lebensart. Es sich ab und zu einfach mal gemütlich zu machen, die Seele baumeln zu lassen, das heimische, gemütliche Sofa dem Club vorzuziehen, es langsam angehen zu lassen, das ist „Hygge“. Eine „hyggelige“ Wohnung verfügt daher mindestens über ein gemütliches Sofa, am besten mit großen weichen Kissen. Dimmbares Licht, besser noch Kerzen, gehören ebenso zur gemütlichen Grundausrüstung wie warme Farben, Einfachheit und klare Strukturen.
Der Kern von Hygge ist die innere Einstellung
Wichtiger als die Einrichtung ist aber die innere Einstellung. Man muss den Stress tatsächlich hinter sich lassen, den Alltag mal Alltag sein lassen und nicht ständig nach dem nächsten Kick suchen. Dazu ist die heimische Wohnung natürlich geeignet, aber auch ein Picknick irgendwo weit draußen oder ein Tag am Strand können sich anbieten. Besonders jedoch an kalten Wintertagen kann man es sich gemütlich machen. Kerzen anzünden, leckeres Gebäck (aber bitte selbstgebacken!), ein warmes Getränk und eine kuschelige Decke auf dem Sofa. So lässt sich auch der lange, dunkle Winter deutlich besser aushalten.
„Hygge“ als Gegenentwurf zur schnelllebigen Welt
„Hyggelig“ zu leben, bedeutet vor allem, es ruhig angehen zu lassen. Damit kann diese Lebensart durchaus als Gegenentwurf zur hektischen, schnelllebigen Welt gesehen werden, weshalb es wahrscheinlich auch kein Zufall ist, dass dieser „Trend“ gerade jetzt nach Deutschland schwappt.
Und ganz nebenbei lässt sich auch noch gutes Geld verdienen. Das ist ja das Schöne an Trends und Hypes. Bücher, Zeitschriften, Einrichtungsgegenstände etc. müssen gekauft werden, damit man auch ganz genau weiß, wie man das macht, das mit dem „hyggeligen“ Leben. Aber für wirklich gelebte „Hygge“ gibt es keine Anleitung. Es ist eine Einstellungssache. Wer seine Wohnung teuer umgestaltet, um es sich dann mal schnell zwischendurch gemütlich zu machen, ehe die nächste Verpflichtung wartet, der wird weiterhin ganz schön „ohyggelig“ durchs Leben hetzen.
„Hygge“ in Schweden?
Auch das Schwedische kennt das Adjektiv „hyggelig“. Allerdings bezeichnet es eher einen netten, angenehmen Menschen. Und Vorsicht: Wer „Hygge“ in Schweden macht, der schlägt Holz. Allerdings können es sich die Schweden auch gemütlich machen. Das ist dann aber nicht „hyggelig“, sondern „mysig“. Ein anderes Wort, aber genau der gleiche Inhalt.
„Hygge“ hat mit dem schwedischen „lagom“ übrigens nichts zu tun – auch wenn beide Begriffe in manchen schlecht recherchierten Zeitschriftenartikel gerne mal zusammengeworfen werden.
Beitragsbild: Niclas Vestefjell / imagebank.sweden.se