Im November 2020 jährte sich zum 500. Mal das Stockholmer Blutbad. Gustav Eriksson (Vasa) überlebt, da er dem dänischen König misstraut und sich aus Stockholm fernhält. Er weiß jetzt aber, zu was König Kristian II. in der Lage ist. Daher ist eines klar: Er muss fliehen. Eine abenteuerliche Flucht nach Dalarna beginnt.
Anfang Dezember 1520: Gustav Vasas abenteuerliche Flucht nach Dalarna, Teil 1
Als Gustav von den Schrecknissen in Stockholm hört, packt er seine Sachen und bricht auf. Er ist noch jung und steht plötzlich ohne Familie da. Entweder wurde sie beim Stockholmer Blutbad ermordet oder sitzt in dänischer Gefangenschaft. Wo soll er also hin?
Die einzige Hoffnung, die er sieht, liegt in Dalarna. Die Bergmänner und Bauern, die in der Region um den Siljansee leben, waren schon immer rebellisch, wenn ein König ihre Freiheiten bedrohte. Dort oben im Norden hat man seine eigenen Traditionen, einen großen regionalen Stolz. Wenn Gustav irgendwo Verbündete gegen den dänischen – und jetzt auch schwedischen – König Kristian II. finden will, dann muss er die Menschen in Dalarna, die Dalkarlarna, überzeugen. Außerdem hat er ein paar Kollegen aus seinen Uppsalaer Studienzeiten, die dort leben. Vielleicht kann er bei ihnen Unterschlupf finden.
Ende November bricht Gustav auf. Sein Weg führt ihn zunächst nach Bergslagen und dort nordwärts Richtung Falun. Aber wem kann er vertrauen? Die Dänen jagen ihn. Und viele Schweden würden ihn wahrscheinlich sofort ausliefern, wenn sie dafür eine entsprechende Entlohnung erhalten. Gustav verkleidet sich als Bauer und zieht sich die für Mora typische Tracht an. So weckt er keinen Argwohn, wenn er sagt, dass er zurück nach Mora, seine angebliche Heimatregion, wolle.
Erste Station der Flucht: Rankhyttan
Bald schon erreicht er Rankhyttan. Der Hof gehört Anders Persson, einem alten Studienkameraden. Ihm vertraut Gustav. Anders empfängt ihn herzlich. Damit niemand der Knechte, Mägde oder Händler, die auf den Hof kommen, Verdacht schöpft, gibt Anders ihm Arbeit bei den Knechten. Er soll ihnen beim Dreschen helfen. Das macht Gustav. Aber besonders geschickt stellt er sich dabei nicht an. Woher sollte er es auch können? Er kann lesen, ist rhetorisch geschult, kann kämpfen. Aber dreschen?
Am folgenden Abend kommt eine Magd auf ihren Herren, Anders Persson, zu und raunt ihm zu: „Ich glaube nicht, dass dieser Kerl aus Mora, der gestern hier aufgetaucht ist, ein Bauersknecht ist. Dreschen kann er jedenfalls nicht. Und unter seinem Hemd lugt eine feine Bluse hervor.“ Anders beißt sich auf die Lippe. Was soll er tun? Kann er seinen Untergebenen wirklich trauen oder werden sie tratschen, sodass sich die Gerüchte rasend schnell in ganz Bergslagen verbreiten?
Er lässt nach Gustav rufen. „Geh weiter nach Norden, Gustav! Geh, geh!“, sagt er. „Geh entlang den Flüssen und durch die großen Wälder! Halte dich nie lange an einer Stelle auf. Hier in Bergslagen sind die Leute zurückhaltender. Auch wenn dich sonst niemand anhören will, so werden es die trotzigen Mora-Bewohner tun. Aber jetzt geh!“
Es geht weiter nach Ornäs.
Also bricht Gustav wieder auf. An den Ufern des Sees Runn zieht er entlang, bis er Ornäs erreicht. Auch hier wohnt ein alter Kamerad aus den Zeiten in Uppsala: Arendt Pehrsson Örnflycht und dessen Frau Barbro Stigsdotter. Was Gustav nicht weiß: Einige aus Arendts Familie haben sich auf die Seite des Dänenkönigs geschlagen. Nichtsahnend erreicht Gustav Vasa den Hof, der auf einer kleinen Landzunge am See Runn liegt, und wird dort freundlich empfangen.
Der Weg war beschwerlich und anstrengend. Einmal ist Gustav sogar durchs Eis des zugefrorenen Sees gebrochen. Daher schläft er schnell tief und fest. Er bekommt nicht mit, was sich unterdessen zuträgt.
Barbro Stigsdotter beobachtet ihren Vater, der seinen Stallknecht zu sich ruft, sobald Gustav eingeschlafen ist. Der Schwiegervater lässt ein Pferd vor den Schlitten spannen und eilt durch die winterliche Landschaft davon. Barbro ahnt Übles. Sie weiß, auf welcher Seite ihr Vater steht – ganz sicher nicht auf der des schwedischen Flüchtlings. Wohin ist er jetzt unterwegs? Holt er die dänischen Häscher?
Ein Plumpsklo von nationaler Bedeutung
Ohne sich mit ihrem Mann zu beratschlagen, holt sie den Knecht Jakob zu sich. Sie weiß, dass sie ihm voll und ganz vertrauen kann. Gemeinsam gehen sie in die Kammer, in der Gustav schläft, und wecken ihn. „Du bist in großer Gefahr, Gustav“, sagt Barbro zu ihrem Gast, während sie seine wenigen Habseligkeiten zusammenpackt. „Du musst weiter, denn hier bist du nicht sicher.“ Als der Knecht Jakob die Tür der Kammer öffnet, entdeckt er andere Familienmitglieder, die ganz offensichtlich den Ausgang bewachen. Auf diesem Weg können sie Gustav nicht herausschmuggeln.
Barbro hat eine andere Idee. Wenig zimperlich drängt sie Gustav aufs Plumpsklo und dort durch die Sitzöffnung nach draußen. Zum Glück lässt sich Gustav geschickt fallen, sodass er im Schnee und somit nicht ganz beschissen landet. Er versteckt sich auf dem Schlitten, den Jakob schon bereitgestellt hat. Wenig später saust der Schlitten unter lautem Peitschenknall fort vom Ornäshof, hinaus auf den zugefrorenen Runn, gen Norden.
Anmerkung: In einer Variante, die ab dem 17. Jahrhundert erzählt wird, ist nicht Arendts Schwiegervater der Verräter, sondern Arendt selbst. Dagegen spricht aber, dass Arendt Pehrsson später reich entlohnt wurde.
Hallo Jo, ich habe deine Reihe über Gustav Vasa in einem Rutsch gehört und fand sie superspannend! Vielen Dank für die fundierte und differenzierte Aufarbeitung dieser historisch wichtigen Figur für Schweden. Grüße von Anja