Sie waren schneller. Zwei Wochen nach der Messerattacke wurde der Chilene erschossen auf einem Sportplatz aufgefunden.
Die Clans sind also – anders als von Familienoberhaut Al Asim behauptet – nicht nur Problemlöser. Im Gegenteil: Sie sind Ursache für eine ganze Reihe von Problemen. Denn sie sind in diverse kriminelle Handlungen verwickelt. Die Al Asims haben ein gut funktionierendes Drogennetzwerk aufgebaut. Hinzu kommen Waffenschmuggel und -handel, Gewalt, Körperverletzung, bis hin – wie eben beschrieben – zum Mord. Aber auch Steuerbetrug oder Sozialversicherungsbetrug gehören zum kriminellen Repertoire der Familie dazu.
Ebenfalls ein beliebtes Muster: Bei Café-, Restaurant- oder Ladenbesitzern werden erfundene Schulden eingetrieben. Wer nicht bezahlt, wird bedroht. Da geht mal ein Schaufenster zu Bruch, mal steht eine dunkel gekleidete Person vor dem Haus. Bis die Bedrohten aufgeben. Entweder sie ziehen fort oder sie zahlen.
Bleibt die Frage: Warum zeigen sie die Erpresser nicht an?
Die Polizei steht hier vor einem riesigen Problem. Denn es gibt durchaus Anzeigen. Doch kurz nachdem diese gestellt werden, werden sie auch schon wieder zurückgezogen. Sobald die Al Asims Wind von der Anzeige bekommen, bedrohen sie die Anzeigensteller – oder deren Familie. Niemand, der eine Anzeige gegen die Al Asims stellt, kann sich seines Lebens mehr sicher sein. Nur sehr wenige sind so mutig, in ein Zeugenschutzprogramm zu gehen und die Anzeige aufrechtzuerhalten.
Wenn es keine Anzeigen gibt, hat der Staat aber auch keine Möglichkeit, gegen die Al Asims (oder gegen andere Banden) vorzugehen.
Neuer Ansatz zur Bekämpfung der Clankriminalität
In Angered wählte man einen anderen Ansatz: Die Behörden begannen, viel intensiver zusammenzuarbeiten. Dadurch können sie kriminelle Handlungen deutlich leichter und effektiver erkennen und dann gegen sie vorgehen. Ein Beispiel: Ein Sohn der Familie ist wegen diverser Drogengeschichten polizeibekannt. Er lässt sich von seiner Frau scheiden und zieht in eine neue Wohnung. Die nun alleinerziehende Mutter kann jetzt staatliche Unterstützungen beziehen. Dafür ist das Sozialamt zuständig. Die Polizei ist öfters bei der Mutter, weil sie den Mann in der neuen Adresse nicht antreffen konnten. Sie entdecken ihn in der Wohnung der Mutter, also der angeblichen Ex-Frau. Offensichtlich ist die Scheidung nur vorgetäuscht, um Sozialleistungen abzugreifen. Wenn Polizei und Sozialamt sich nicht regelmäßig austauschen, kommt so etwas nicht ans Licht. Daher der neue Ansatz, bei dem sich die Behörden regelmäßig treffen und über Vorkommnisse informieren. So versucht man aktuell, der Familie das Wasser abzugraben.
Ob es funktioniert? Das wird sich zeigen. Das Konzept stammt aus Malmö, wo man bereits einige Erfolge damit erzielen konnte.
„Familjen“ – ein wichtiges und richtig gutes Buch
Das Buch „Familjen“ von Johanna Bäckström Lerneby endet mit diesem ungewissen Ausgang. Es ist ein Buch, das nachwirkt, das einen nicht so schnell zur Ruhe kommen lässt. Es ist eine spannende Reportage, sehr gut geschrieben. Ich habe es in einem Rutsch durchgelesen.
Der Journalistin gelingt es sehr gut, ihre Gesprächspartner aus der Familie ernst zu nehmen, ihnen zuzuhören und zugleich die Positionen Al Asims scharf zu kritisieren und ganz klar die schwedische Rechtsauffassung zu vertreten.
Durch ihre umfangreiche Recherche und das gut recherchierte Material gibt sie einen Einblick in eine verborgene Welt, die man normalerweise nur aus den Schlagzeilen kennt, wenn wieder einmal ein Mord geschehen ist. Die Reportage hilft zu verstehen, wie schwer die Clankriminalität zu bekämpfen ist und zugleich wie eine Parallelgesellschaft, zu der staatliche Instanzen kaum mehr Zugang haben, entstehen kann und funktioniert.
Ein unglaublich wichtiges Buch! Bisher ist es aber nur auf Schwedisch erhältlich.
Als Taschenbuch kostet es 152, gebunden 249 Kronen.
Wie kriminell ist Schweden? Wir haben einen Blick in die Statistiken geworfen.