Land und Leute Nordschweden

Die Samen, die schwedische Urbevölkerung

Unterdrückung der samischen Kultur

Ausgrenzung, Diskriminierung, Geringschätzung waren die Folge. Das Schimpfwort vom „lappdjävel“ kam auf. Kein Wunder, dass die Samen heute nichts mehr mit dem Wort „lapp“ zu tun haben wollen.

Die samische Kultur wurde entweder unterdrückt oder an den Rand gedrängt. Ein wesentliches Element dieser Politik war die Schule.

In den 1920er Jahren definierte ein Gesetz, wer als „Lappe“ galt – nämlich nur diejenigen Samen, die Rentierzucht betrieben. Alle anderen galten als „übrige Bevölkerung“. Und die Kinder dieser „übrigen Bevölkerung“ wurde in reguläre schwedische Schule gesteckt, sodass sie sich assimilieren konnten.

In der Schule wurde nur Schwedisch gesprochen. Samisch und die samische Kultur kamen nicht vor. Viele verlernten daraufhin ihre Sprache und sie begannen, sich für ihre Herkunft und ihre Kultur zu schämen. Nicht wenige legten sich schwedische Namen zu, um der Geringschätzung zu entgehen.

„Lapp ska vara lapp.“

Während die einen Samen assimiliert werden sollten, wurden die anderen, also diejenigen, die Rentierzucht betrieben, an den Rand gedrängt. „Lapp ska vara lapp“, lautete der Grundsatz. „Lappe soll Lappe bleiben.”

Die Kinder der Rentierzüchter schickte man auf spezielle Schulen, die Kåtaskolor beziehungsweise Nomadskolor. Ein Lehrer zog den Familien in deren Quartiere hinterher, um dort die Kinder zu unterrichten. Klingt zunächst entgegenkommend, war es aber nicht. Denn die Schülerinnen und Schüler erhielten nur eine notdürftige Grundbildung, die in keiner Weise mit der an regulären Schulen mithalten konnten.

Aufstieg durch Bildung galt im sozialdemokratischen Schweden als extrem wichtiger Grundsatz – nur eben nicht für die Samen.

Der Kolt, die traditionelle Tracht der Sami; Foto: Lola Akinmade Åkerström / imagebank.sweden.se

Besserung ab den 1970er Jahren

Ein Umdenken im Umgang mit der schwedischen Urbevölkerung geschah erst ab etwa den 1960er Jahren. 1977 wurden die Sameskolor gegründet, womit die Nomadskolor der Vergangenheit angehörten. Die Sameskolor sind Schulen speziell für Samen. Sie sind wie jede andere Schule dem schwedischen Lehrplan verpflichtet, die Qualität der Ausbildung ist also genauso hoch wie anderswo im Land. Sowohl Schwedisch als auch Samisch sind Unterrichtssprachen. Damit sind diese Samenschulen ein großer Fortschritt.

Das Problem: Während es solche Schulen mit den Jahrgängen 1 bis 6 recht viele gibt, existieren nur an wenigen größeren Orten wie Jokkmokk oder Kiruna Schulen mit den Jahrgängen 7 bis 9 und Gymnasien. Wer also eine samische Schule besuchen will, muss oft weite Wege auf sich nehmen oder im Internat leben.

Eine andere Möglichkeit für samische Kinder ist, dass sie eine reguläre schwedische Schule besuchen und dort ein paar Stunden Muttersprachenunterricht erhalten. Dazu müssen sie aber nachweisen, dass zuhause Samisch gesprochen wird, was oftmals aber nicht der Fall ist, da die samische Sprache in früheren Jahrzehnten ja konsequent unterdrückt wurde.

Hier gibt es also noch Nachholbedarf. Aber nicht nur hier.

Anerkennung der Rechte der Urbevölkerung?

Seit 1976 sind die Samen als Urbevölkerung in Schweden anerkannt. Was die schwedische Regierung aber bis heute nicht hinbekommen hat, ist die Unterzeichnung und Ratifizierung der ILO-Konvention 169, die 1989 von der Internationalen Arbeitskommission in Anlehnung an die Menschenrechtserklärung der UN erarbeitet wurde und die Rechte von Urbevölkerungen weltweit sicherstellen soll.

Fast alle Länder Süd- und Mittelamerikas haben die Erklärung ratifiziert, auch Deutschland, Norwegen und Dänemark sind dabei. Schweden aber fehlt bis heute, wofür es zum Teil harsche Kritik einstecken muss.

In Artikel 14 der Konvention heißt es:

1. Die Eigentums- und Besitzrechte der betreffenden Völker an dem von ihnen von alters her besiedelten Land sind anzuerkennen. Außerdem sind in geeigneten Fällen Maßnahmen zu ergreifen, um das Recht der betreffenden Völker zur Nutzung von Land zu schützen, das nicht ausschließlich von ihnen besiedelt ist, zu dem sie aber im Hinblick auf ihre der Eigenversorgung dienenden und ihre traditionellen Tätigkeiten von alters her Zugang haben. Besondere Aufmerksamkeit ist diesbezüglich der Lage von Nomadenvölkern und Wanderfeldbauern zu schenken.

2. Die Regierungen haben, soweit notwendig, Maßnahmen zu ergreifen, um das von den betreffenden Völkern von alters her besiedelte Land zu bestimmen und um den wirksamen Schutz ihrer Eigentums- und Besitzrechte zu gewährleisten.

ILO-Konvention 169

Die vollständige Anerkennung der Rechte der Samen hätte also deutliche Konsequenzen für den Landbesitz im Norden. Offensichtlich sind nicht alle Parteien bereit – insbesondere die konservativen und allen voran die Schwedendemokraten –, sich diesen Konsequenzen zu stellen. Und so wird die Unterzeichnung immer wieder verschoben.

Die Samen heute: zwischen Diskriminierung und Stolz auf die eigene Kultur

Man darf also gespannt sein, wie lange es noch dauert, bis die Rechte der samischen Bevölkerung in Schweden vollständig anerkannt werden.

Von einer kompletten Gleichstellung kann noch keine Rede sein. In aktuellen Umfragen geben stets etwa 35% der Samen an, dass sie sich auch heute noch diskriminiert fühlen. Die Selbstmordrate unter Samen liegt deutlich über dem gesamtschwedischen Schnitt.

Auf der anderen Seite gibt es immer mehr Samen, die sich selbstbewusst wieder ihrer Kultur, Sprache und Geschichte zuwenden. Viele beginnen wieder, die Sprache zu lernen. Der Jojk, der traditionelle Gesang der Samen, schafft es, bei der Castingshow „Talang“ das Publikum zu begeistern. Der Wintermarkt in Jokkmokk zieht Jahr für Jahr tausende Besucher in winterliche Lappland (außer es ist Pandemie).

„Daniels Jojk“ von Jon Henrik Fjällgren gewann 2014 die Castingshow „Talang“

Die samische Kultur erfährt so neue Achtung. Viele Schweden sind neugierig, wollen mehr über das samische Leben wissen.

Es tut sich also was.

Außer eben die Unterzeichnung der ILO-Konvention 169, mit der die Rechte der Samen wirklich anerkannt würden.

Auch dafür ist der 6. Februar, der samische Nationalfeiertag da: Daran zu erinnern, dass noch Schritte zu gehen sind.

Beitragsbild: Anna Öhlund / imagebank.sweden.se

  1. Vielen Dank für diesen Überblick!

    Weil sich die Gründung des Schwedischen Instituts für Rassenbiologie gerade zum hundertsten Mal gejährt hat, habe ich für einen Artikel – https://andreas-moser.blog/2022/01/22/eugenik/ – Auszüge aus den „Svenska Folktyper“ von Herman Lundborg gesucht.
    Die darin gezeigten Bilder der Samen, Finnen, Slawen, Roma haben die Vorurteile „verwissenschaftlicht“ und angesichts des Erfolgs des Buches wohl auch weit verbreitet. Das bleibt leider ziemlich lange hängen. :/

    • Hej Andreas!
      Vielen Dank für diesen Link!
      Ja, das ist ein ziemlich dunkler Fleck in der schwedischen Geschichte, dass sich solche rassenbiologische Ansätze ziemlich lange gehalten haben und sie – wie du schreibst – verwissenschaftlicht wurden. Glücklicherweise ist die Wissenschaft schon längst viel weiter. Aber die Stereotype können dennoch noch lange weiterwirken. Leider.
      Ha det så bra!
      /Jo

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