Neulich kam eine Bekannte aus dem Schwedenurlaub zurück. Sie war begeistert, aber eine gewisse Enttäuschung schwang in ihrer Erzählung mit. Sie hatte keinen Elch zu Gesicht bekommen. Schon wieder nicht. Andere berichten begeistert, dass sie endlich einmal Elche am Straßenrand gesehen haben. So, als sei erst jetzt der Schwedenurlaub vollwertig.
Die Beziehung der Deutschen zum Elch ist eine besondere. Ich bin eigentlich kein Freund von Generalisierungen. Aber hier muss ich eine Ausnahme machen. Es ist etwas Besonderes zwischen den Deutschen und den Elchen. Liebe? Tiefe Faszination? Sehnsucht nach was auch immer? Ich weiß es nicht genau.
Elche – das Markenzeichen Schwedens
Klar ist aber, dass der Elch – nicht nur bei uns Deutschen – eine gewaltige Faszination auslöst. Mit Elch-Merchandising erzielen manche Unternehmen beträchtliche Umsätze: Elch-Schlüsselanhänger, Elch-Plüschtiere, Elch-Shirts. Es gibt Flaschenöffner in Elch-Form, Handtuchhalter, selbst Serviettenhalter. Elche werden nicht nur auf T-Shirts gedruckt, sondern auf Geschirrtücher, Kopfkissen, Mützen, Boxershirts und Socken. Und natürlich werden auch Straßenschilder, die vor querenden Elchen warnen, verkauft. Das hat immerhin den Vorteil, dass sie nicht einfach irgendwo abmontiert und mit nach Hause genommen werden.
Wer keinen Elch per Zufall antrifft, erhöht seine Chancen, indem er an einer Elch-Safari teilnimmt. Die Nachfrage scheint so groß zu sein, dass unzählige Anbieter solcher Safaris gut davon leben können. Wer ganz auf Nummer sicher gehen will, der besucht einen Elchpark. Auch davon gibt es fast dreißig in Schweden.
Der Elch zieht also.
Aber warum gerade die Deutschen? Und: Sind wir Deutsche tatsächlich begeisterter vom Elch als beispielsweise Holländer?
Deutsche Begeisterung für Elche
Wir haben bei Elch-Experten nachgefragt: Helene Svensson leitet den Virum Elchpark. Dort seien ungefähr 70% aller Besucher Nicht-Schweden und von diesen wiederum 70% Deutsche. Von den jährlich 30.000 Besuchern kommt, so die Leiterin, damit etwa die Hälfte aus Deutschland. Noch extremer ist es im Anneröd Gård. Hier beträgt der Anteil der Deutschen laut Anders Johannson satte 85%. Ungefähr jeder dritte Tourist, der nach Schweden reist, stammt aus Deutschland. Das heißt, dass ein deutscher Tourist deutlich eher einen Elchpark ansteuert als Touristen aus anderen Ländern.
Aber warum ist das so?
Sicher, der Elch ist der König der Wälder. Groß, irgendwie mystisch und so scheu, dass man ihn nur selten zu Gesicht bekommt. Andererseits leben so viele Elche in Schweden, dass sie jedes Jahr massenhaft zum Abschuss freigegeben werden. Elch-Fleisch ist während und nach der Jagdsaison nicht einmal eine besondere Delikatesse, sondern fast schon recht gewöhnlich.
Vielleicht liegt es auch am Äußeren des Elchs – lange, schlaksige Beine, der massige Rumpf, die überhängende Oberlippe –, dem manchmal etwas unbeholfen wirkenden Gang oder den lustigen Videos von Elchen, die in Supermärkte rennen, aus Pools gerettet werden müssen oder in irgendwelchen Bäumen festhängen. Der Elch ist majestätisch und zugleich etwas dusselig. Das macht ihn sympathisch. Zum Knutschen eben.
Das erklärt aber noch nicht, weshalb es gerade die Deutschen sind, die so vernarrt in den König der Wälder sind.
Sehnsucht nach alten Zeiten?
Kulturhistorikerin Claudia Deglau hat einen Erklärungsansatz. Im 19. Jahrhundert gab es auch in deutschen Wäldern Elche. Auf Gemälden aus der Romantik stehen oder liegen sie oft in der Landschaft herum. In der Zeit der beiden Weltkriege verschwand der Elch dann aber aus Deutschland. Daher verkörpere der Elch eine romantische Sehnsucht nach der „heilen Welt“ vor den Weltkriegen, so Deglau. Das wäre eine mögliche Erklärung, Helene Svensson vom Elchpark Virum hält dies aber eher für einen Mythos.
Entscheidender sei ihrer Meinung nach die Tatsache, dass es in Deutschland eben keine Elche gebe, man sie aber schon in Südschweden antreffen könne. Man müsse daher nicht allzu weit fahren, um einen Elch zu sehen, im Gegensatz beispielsweise zu Bären, die nur weiter im Norden anzutreffen sind.
Sie betont, dass die Begeisterung für Elche auch bei Holländern, Franzosen, Schweizern und Österreichern groß sei. Deutsche reagieren aber dennoch begeisterter, wenn sie einen Elch sehen. Warum? Auch sie kann es nicht genau sagen.
Eine wirklich befriedigende Antwort haben wir nicht gefunden. Dafür aber bei der Recherche für diesen Artikel eine ganz spannende und witzige Umfrage, die Visit Sweden vor mehr als zehn Jahren gemacht hat. Menschen in Deutschland, Holland, Großbritannien und Frankreich wurden befragt, was sie mit Schweden verbinden. In allen vier Ländern verknüpften die Menschen vor allem die Natur, aber auch Kälte mit Schweden. Interessant ist, wo sich die Umfrageergebnisse unterscheiden: Briten dachten bei Schweden an „teuer“, Holländer an „Friede und Freiheit“. Franzosen verknüpften „schöne Frauen und Blondinen“ mit Schweden. Und die Deutschen? Klar: den Elch.
Weitere Infos zu Elchparks in Schweden findest du hier: https://sverigesalgparker.se/
Beitragsbild: Virum Älgpark
Wir Deutschen sind halt hochanständig und denken erst beim zweiten Mal an schöne Frauen und Blondinen. 😉 Aber im ernst, sehr spannender Text über unsere Elch-Faszination. Ich wüsste im Moment auch kein anderes Tier im europäischen Umland, bei dem das ähnlich ist.
Haha, ja, wer wird denn gleich an Blondinen denken … 😉
Vielen Dank für das Kompliment!
Der ganze Internetauftritt ist informativ, spannend und teilweise humorvoll. Danke! Ich bin begeistert. Weiter so! Fahre mit meiner Frau seit mehr als 30 Jahren im Sommer mit dem Womo nach Schweden, entdecke jeden Sommer etwas Neues. Klaus
Hej Klaus!
Vielen lieben Dank für diese Worte! Sie motivieren uns sehr!
Jo und das Elchkuss-Team
Hey,Ein toller Bericht.
Seit gestern kann ich auch mal einen Blick auf die Mädels werfen da Ich nach 10 Jahren endlich einen Elch gesehen habe.
Herzlichen Glückwunsch!
Sie in freier Wildbahn zu sehen, ist nochmal ein ganz besonderes Erlebnis. Und es ist seltsam: Manche sehen ständig Elche und andere warten seit Jahren, obwohl sie auf einsamen Wegen, mit dem Kanu in der Wildnis usw. unterwegs sind. Umso schöner, dass es bei dir nun geklappt hat!
Elche gab es in Deutschland in Ostpreußen. Es ist der tiefe Schmerz über das verlorene Kleinod im Osten, welches die Deutschen so schmerzt und die Sehnsucht weckt nach den Elchen.
Das ist zumindest auch die Erklärung der Kulturhistorikerin Deglau, die wir im Artikel erwähnen. Kann schon sein, dass da etwas dran ist.