Ein Bunker in einem Berg irgendwo bei Hässleholm in Südschweden. Ein junges Paar, Smilla Holst und Malik Mansur, lieben es, Lost Places zu entdecken und zu fotografieren. Sie steigen ein ins Dunkel, begeben sich immer tiefer in den Bunker und den Berg. Dann sind sie verschwunden und tauchen nicht mehr auf. So beginnt der fesselnde Krimi „Bortbytaren“ (auf Deutsch: „Stille Falle“) des schwedischen Erfolgsautors Anders de la Motte.
„Bortbytaren“, so nennt sich der Bösewicht, der in diesem Roman allseits präsent, aber doch kaum greifbar ist. Mit der „Wegtauscher“ könnte man es übersetzen. Er schleicht bei anderen Menschen ins Schlafzimmer, während diese schlafen. Allein das ein gruseliger Gedanke. Als Trophäe nimmt er etwas Persönliches mit, und er lässt auch etwas da. Noch gruseliger.
Als Leser lernt man diesen „Bortbytaren“ schon bald kennen. Kleine Momente aus der Jugendzeit werden eingestreut. Es ist von Anfang an klar, dass er der Täter ist, aber was er mit Smilla Holst und Manik Mansur zu tun, was er von ihnen will, das bleibt vollkommen nebulös.
In tiefstem Nebel stochert auch die Kriminalpolizei in Malmö, die die beiden Vermissten versucht zu finden. Der Druck ist groß, schließlich ist Smilla die Tochter einer reichen und einflussreichen Familie. Kriminalkommissarin Leo Asker übernimmt den Fall – aber nur kurz. Denn plötzlich kehrt ihr alter Rivale bei der Polizei, Jonas Hellman, zurück nach Malmö; er übernimmt den Fall und sorgt dafür, dass Leo weit weg verräumt wird, wo sie ihm nicht in die Quere kommt: Sie soll fortan die Abteilung für verlorene Seelen und hoffnungslose Fälle leiten, eine Abteilung im Geschoss minus 1, von dem sie davor nicht einmal wusste, dass sie existiert. Ihre Mitarbeiter allesamt schräge, seltsame Vögel, die man im normalen Polizeialltag nicht mehr braucht.
Leo Asker, eine abservierte, aber willensstarke Ermittlerin
Leo Asker, eine brillante Ermittlerin, aber auch ein sehr eigener Kopf mit düsterer Vergangenheit, bleibt am Fall um Smilla und Malik dran. Bald schon ist sie auf der Spur eines Serienmörders, der einerseits still zuschlägt, andererseits seine Taten zur Schau stellt auf eine Weise, die für Gänsehaut sorgt. Doch auch er ist hinter ihr her und so ist nicht klar, wer Jäger und wer Gejagter ist.
Wir als Leser folgen hauptsächlich Leo Asker in der Gegenwart. Immer wieder werden aber andere Kapitel eingestreut, in denen man in Leos Vergangenheit zurückreist oder die Perspektiven wechselt. Dadurch weiß man stets etwas mehr als die Ermittlerin, aber nie genug, um den Fall zu durchschauen. Geschickt führt de la Motte immer wieder neue Figuren ein, die allesamt verdächtig sind. Er gibt Hinweise, die oftmals in die Sackgasse führen, und dann andere, meist ganz kleine, die sich, wenn man nach dem Lesen über das Buch nachdenkt, als bedeutend herausstellen.
„Bortbytaren“ von de la Motte – souverän und geschickt erzählt
Anders de la Motte erzählt äußerst souverän und geschickt. Als ehemaliger Polizist bei der Stockholmer Polizei hat er genügend Erfahrung gesammelt, um die Polizeiarbeit realistisch darzustellen. Zugleich lebt die von ihm entworfene Welt aber von fast schon fantastisch anmutenden Personen – die Parallelwelt im Untergeschoss der Malmöer Polizei, der in seinem düsteren schlossähnlichen Haus lebende Ulf Krook, der sich auch in Stanley Kubricks „Shining“ gut machen würde, Leo Askers Papa – Prepper-Per –, der ebenso wenig zu fassen ist wie der „Bortbytaren“. Und schließlich die stille, rabenschwarze Hölle im Bunker tief unter der Erde. Damit hat de la Motte eine Welt entworfen, die alles andere als einladend ist, die mysteriös ist, in der man nicht sein will.
In der man aber gerne bleibt, weil man ständig weiterblättern und weiterlesen muss. Von Anfang an entwickelt die Geschichte einen Sog, dem man sich kaum erwehren kann.
Sehr lesenswerter Krimi
Ja, wenn man viele schwedische Krimis gelesen hat, dann kommt einem alles irgendwie bekannt vor. Leo Asker als brillante, aber eigenwillige Ermittlerin mit dunkler Vergangenheit, ein Mörder, der Jagd auf die Ermittlerin macht, Konkurrenz innerhalb der Polizei, scheinbare Underdogs, die sich als viel besser als ihr Ruf erweisen – all das sind keine neuen Zutaten für einen Krimi aus dem Norden. Auch die durch und durch düstere Grundstimmung, die stark an die Wallander-Krimis erinnert, ist bekannt.
Aber de la Mottes Kriminalroman ”Bortbytaren” (”Stille Falle”) sticht dennoch heraus, weil er eben so geschickt erzählt, so spannend geschrieben ist, vor allem aber, weil das Typische eines Krimis von skurrilen Momenten und Figuren, von fast schon märchenhaften Nebenfiguren wie Madame Rind und von den Gänsehaut-Geschichten, die eine Modelleisenbahnlandschaft erzählt, durchbrochen wird.
Fazit: Lesenswert!

Das schwedische Original erschien 2022 und war nominiert für den besten schwedischen Kriminalroman, ein Preis, der von der Svenska Deckarakademin vergeben wird. 2023 erschien der Roman unter dem Titel „Stille Falle“ im Droemer Verlag auf Deutsch. Das Taschenbuch kostet 16,99.
Für alle, die den Roman auf Schwedisch lesen wollen: Ich schätze das Sprachniveau als mittel bis schwer ein, vergleichbar mit Henning Mankell. Mit B2 sollte es gut zu lesen sein.