Rike, Sven und ihr Belgischer Schäferhund John hatten nie vor auszuwandern, sie hatten nicht einmal daran gedacht. Und doch leben sie seit vier Jahren in Schweden. Genauer gesagt im südlichen Småland, ca. 60 Kilometer nördlich von Karlskrona. Das Leben verläuft manchmal eben ganz anders als geplant. Dass dies nicht immer schlecht sein muss, zeigt ihre Geschichte:
Viele Menschen träumen davon, in Schweden zu leben, und versuchen teilweise mit Biegen und Brechen diesen Traum zu verwirklichen. Uns ist das Ganze eher zugeflogen. Ich habe vor etwas über fünf Jahren das Angebot bekommen, bei einer Ferienhausvermittlung zu arbeiten. Für mich war das interessant, für meine Lebensgefährtin eher weniger. Sie konnte sich nicht vorstellen auszuwandern. Es gelang mir jedoch, sie zu überreden, einmal mit mir nach Schweden zu reisen, um sich das Land anzusehen. Wir beide waren vorher nie in Schweden und hatten auch gar keinen Bezug zu dem Land. Das Einzige, was ich mit Schweden verbunden hatte, waren Knäckebrot, Elche und Astrid Lindgren.
Geplant war die Auswanderung nie; der erste Schwedenbesuch ändert das aber
Also machten wir uns im Frühsommer 2013 auf nach Schweden, das erste Mal. Empfangen wurden wir von meinem zukünftigen Arbeitgeber, welcher uns mit der Gegend bekannt machte. Die Natur war der Wahnsinn, so viele Seen und nicht enden wollende Wälder. Das war schon sehr beeindruckend, auch meiner Lebensgefährtin gefiel es und so langsam schwand ihre Ablehnung zum Thema auswandern.
Nach einem weiteren Besuch im Spätsommer 2013 entschieden wir uns nach reiflicher Überlegung für eine Auswanderung nach Schweden. Da wir viel Zeit zur Vorbereitung hatten und tatkräftig von meinem zukünftigen Arbeitgeber unterstützt wurden, konnten wir die Auswanderung ganz genau planen.
Die Planung der Auswanderung beginnt: Schwedisch lernen, Haus kaufen
Das Wichtigste war erst einmal, die Sprache zu lernen. Zwar wusste ich, dass bei meinem zukünftigen Arbeitsplatz hauptsächlich deutsch gesprochen wird, jedoch war es uns sehr wichtig, die Sprache des Landes zu sprechen, in dem wir leben werden.
Also ging es direkt in den VHS-Kurs für Anfänger. Zusätzlich half uns die Sprachseite Babbel beim Lernen.
Recht schnell merkten wir, dass die Sprache an sich nicht allzu schwer ist. Es gibt viele Parallelen zur deutschen und zur englischen Sprache.
Das Schwedisch-Lernen hatten wir also schon mal in Angriff genommen. Als Nächstes ging es um die Wohnungssuche. Schnell stellten wir fest, dass es fast unmöglich ist, eine Wohnung zu mieten, gerade in kleinen Dörfern – denn es gibt so gut wie keine Mietwohnungen. Niemals hätten wir daran gedacht, dass wir uns ein Haus kaufen könnten. Doch dann sahen wir die Immobilienpreise und trauten unseren Augen nicht! Die Immobilienpreise sind absolut nicht vergleichbar mit Deutschland. Wir schauten uns einige Häuser an und machten dann ein echtes Schnäppchen. Ein frisch renoviertes und einzugsfertiges Haus für einen Preis, der in Deutschland maximal für ein Baugrundstück reicht!
Dank guter Vorbereitung eine „unspektakuläre“ Auswanderung
Das ging überraschend schnell. Der gesamte Umzug und alle Formalitäten, wie die Beantragung der so wichtigen Personennummer, waren kein Problem und verliefen absolut reibungslos. Ich muss wirklich krampfhaft überlegen, was nicht gut gelaufen ist bzw. was wir anders machen würden, wenn wir die Möglichkeiten hätten – mir fällt jedoch nichts ein.
Insgesamt betrachtet ist unsere Auswandergeschichte eher langweilig und unspektakulär, da wir viel Zeit zur Vorbereitung hatten und bereits einige Monate vor dem Umzug alles regeln konnten.
Wir lebten uns schnell gut ein. Hier und da gab es jedoch Dinge, an die wir uns erstmal gewöhnen mussten. Der erste Gang zum Briefkasten war zum Beispiel etwas verwirrend. Lange suchte ich nach einem Schloss – vergebens. Die Briefkästen sind hier in Schweden einfach offen bzw. haben nur einen unverschlossenen Deckel. Noch irritierter war ich, als ich bei der Anmeldung unseres Autos erfuhr, dass die Nummernschilder für das Auto nach Hause geschickt werden. Und tatsächlich, wenige Tage später ragten die Nummernschilder weit aus den Briefkasten heraus.
Ebenfalls etwas gewöhnungsbedürftig ist die Ruhe und Gelassenheit der Schweden. An der Supermarktkasse unterhalten sich Kunde und Kassierer/in gerne mal fünf Minuten, ohne dass die wartenden Kunden nervös werden. Gleiches gilt im Straßenverkehr – 5 oder 10 km/h langsamer als erlaubt bringt die wenigsten Schweden aus der Ruhe. Das kennt man aus Deutschland ganz anders. Nach gut vier Jahren haben wir uns daran gewöhnt und sind merklich ruhiger auf deutschen Straßen unterwegs, oder haben es nicht mehr ganz so eilig an Kassen.
Alles lief gut, dann kam die Kündigung
Bis zum Frühsommer letzten Jahres hätte alles nicht besser laufen können. Doch dann kam die Kündigung vom Arbeitgeber aufgrund von „arbetsbrist“, zu Deutsch: Arbeitsmangel. Der erste Gedanke war: „Oh nein, wir müssen zurück nach Deutschland“. Dabei hatten wir uns so gut eingelebt, hatten noch Einiges ins Haus investiert, wie neue Fenster und einen Glasfaseranschluss.
Der Stellenmarkt gibt gerade im ländlichen Bereich nicht viel her und mein Schwedisch würde für meinen gelernten Beruf (Bankkaufmann) nicht ausreichen. Auch das schwedische Arbeitsamt versprach wenig Erfolg.
Am Ende blieben nur zwei Möglichkeiten: zurück nach Deutschland oder selbstständig machen. Nach reiflicher Überlegung und Beratung mit der Familie in Deutschland entschieden wir uns für die Selbständigkeit. Dank ausreichender Rücklagen konnten wir das Ganze umsetzen.
Der Start in die Selbstständigkeit
Im Sommer 2017 starteten wir mit der Konzeption der Firma und mit allen Vorbereitungen, wie zum Beispiel der Programmierung unserer Homepage, das Herzstück der Firma. Im Oktober 2017 ging unserer Homepage dann online und seitdem geht es stetig bergauf.
Die Firma trägt den Namen Schwedenliebe. Unsere Liebe zu Schweden ist in den vier Jahren gewachsen und dieser Name passt einfach wie die Faust aufs Auge. Der Schwerpunkt unserer Firma liegt auf der Vermietung von Ferienhäusern in Südschweden. Der Markt und die Nachfrage im Bereich Ferienhäuser ist unheimlich groß. Wir wollten das Ganze etwas anders als andere Anbieter machen. So besichtigen wir grundsätzlich jedes Haus persönlich und erstellen hochwertige und professionelle Bild- und Filmaufnahmen, inklusive Luftaufnahmen. Weiterhin werden wir im Frühsommer Präsentations- und Informationsfilme zu verschiedenen Sehenswürdigkeiten in ganz Südschweden produzieren. Dieser Weg scheint der richtige zu sein. Bisher haben wir durchweg positives Feedback erhalten, was uns zeigt, dass wir bisher vieles richtig gemacht haben.
Bei der Gründung der Firma hat sich unter anderem gezeigt, wie viel unbürokratischer Schweden ist. Eine Firma in Schweden zu gründen, ist so viel einfacher und unkomplizierter als in Deutschland. Man kann die ganze Firma von zu Hause aus anmelden und registrieren, in wenigen und einfachen Schritten.
Dazu muss ich auch die Kommune Emmaboda, in der wir leben, und verschiedene Institution im Kalmar län positiv hervorheben. Es ist schön zu sehen, wie neue Firmen unterstützt werden. Es gibt viele Beratungsstellen und Seminare. Das hat uns in einigen Bereichen unendlich weitergeholfen!
Wir sind gespannt, wohin die Reise geht. Wir hoffen, dass wir in Schweden alt werden können und in Zukunft anderen Menschen mit unserer Firma einen Arbeitsplatz bieten können.
Hej då från Vissefjärda
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Du bist selbst nach Schweden ausgewandert oder hast es vor? Was sind deine Erfahrungen? Hinterlasse gerne einen Kommentar!
Alle Bilder in diesem Artikel: privat
Hallöchen
Ihr schreibt von Arbeitsplätze, sucht Ihr noch nette Leute?
Lieben Gruss
Bettiina
Hej Bettina,
aktuell nicht. Wenn alles nach Plan läuft, dann frühestens erst in 3-4 jahren 🙂
Hej Sven, die von Dir angesprochene Unterstützung der Kommune usw. erhältst Du in Schweden nur, wenn Du bereits die Personennummer hast. Wenn Du als EU Bürger in Schweden mit einer neuen Firma starten möchtest, werden Dir eher sehr grosse Steine in den Weg gelegt. Ich selbst habe 1 Jahr für die Gründung der Firma gebraucht. Es ist also nicht so einfach, wie Du es dargestellt hast. Viell. wichtig für Menschen die hier in Schweden eine Firma neu gründen möchten.
Robert
Suchst du noch Leute? Wegen mir auch Stunden bzw Tageweise.LG
Toller Beitrag! Mein Mann hat ab April auch einen Job in Südschweden in Aussicht. War auch nie geplant 🙂 Falls du in Zukunft Unterstützung brauchst, melde dich gerne! Ich bin Touristikerin. Viele Grüße, Julia
Hallo, ich habe auch Interesse… Bin gelernte Bankkauffrau und auch Erzieherin…was muß ich machen und wo bekomme ich Information
LG Birgit
Hallo Sven,
seit einigen Jahren habe ich den Traum, nach Schweden auszuwandern. Ich möchte mich mit einer kleinen Bäckerei selbstständig zu machen. Vor ein paar Wochen habe ich endlich begonnen, die schwedische Sprache zu lernen und es macht mir total Spaß. Ich werde nichts erzwingen was die Auswanderung betrifft denn ich habe Zeit und gehe alles langsam an. Aber ich gehe diesen Weg und überlege mir täglich, wie ich Schritt für Schritt weitermache und was ich als Nächstes angehe.
Jetzt noch eine Frage an Dich Sven:
Wenn man sich in Schweden selbstständig machen möchte, muss man, wie in Deutschland auch ein Gewerbe anmelden? Und wenn ja, an wen/welches Amt wendet man sich in diesem Fall?
Wie war das bei Dir?
Ich würde mich sehr über eine Rückmeldung von Dir freuen!
Danke und liebe Grüße Eva:-)
Hallo, vielen Dank für den sehr spannenden Artikel! Bei einem Umzug Luzern, wie würdet ihr das von den Lebenshaltungskosten bewerten zwischen den Ländern Schweiz und Schweden? Liebe Grüsse
Hej!
Schweden hat zwar höhere Lebenshaltungskosten als der europäische Schnitt, aber die in der Schweiz sind noch höher. Schweden ist also etwas billiger als die Schweiz. Auf der Eurostat Datenbank habe ich gefunden, dass die Lebenshaltungskosten in Schweden 24,1% über dem Schnitt der europäischen Union liegt. Die Schweiz ist 74,3% teurer. Die Zahlen sind vom Juni 2023, also ziemlich aktuell.
Ich hoffe, dass ich damit weiterhelfen konnte.
Liebe Grüße,
Jo