Nordschweden Reisen

Ångermanland – Das Land der wachsenden Küste und anderer Rekorde

Hohe Küste in Ångermanland

Am besten ist es, man sucht sich einen hoch gelegenen Aussichtspunkt, von dem man die grandiose Landschaft überblicken kann. So zeigt sich die Vielfalt und die kaum fassbare Schönheit der Gegend – die wilde, zerklüftete, oftmals steile Küste, die tiefen Wälder und ebenso tiefen Seen im Hinterland, die unzähligen vorgelagerten Inseln, auf denen mancherorts sich hohe Hügel erheben. Es ist eine Landschaft, die so eigen, so besonders, vielerorts auch mystisch ist, dass man nur zu gerne glauben mag, dass es Trolle gibt, die die Natur hier geformt haben.

Mythenumsponnen ist auch der Skuleskogen, ein tiefer Wald, der lange Zufluchtsstätte von Räubern und anderen Übellaunigen war, die sich dem Arm des Gesetzes entziehen wollten. Seit 1984 ist der Skuleskogen schwedischer Nationalpark. Angst vor Räubern muss man keine mehr haben, mystisch, manchmal auch etwas unheimlich ist der Wald aber dennoch. Vor allem aber ist er wahnsinnig schön und lädt zu stundenlangen Wanderungen ein. Dabei gelangt man an Sandstrände, wandert um Seen, im Wald tauchen immer wieder Felsen und Steinhalden auf.

Grandiose Aussichten im Skuleskogen Nationalpark

Grandiose Aussichten und tiefe Schluchten

Irgendwann sollte man dem Wald entfliehen und auf einen der Berge des Nationalparks steigen, zum Beispiel auf den Slåttdalsberget. Die Aussicht von diesem Berg aus rötlichem Granit ist grandios. Wenn man hier sitzt und den Blick über den Nationalpark, die Seen, das Meer und die Schären gleiten lässt, dann spürt man, dass der einzelne Mensch nur klein und unbedeutend ist und die Natur so viel größer.

Klein fühlt man sich auch in der Slåttdalsskrevan, direkt unterhalb des Berges. 200 Meter lang ist diese Schlucht, sieben Meter breit und dreißig Meter erheben sich die glatten, senkrechten Felswände in die Höhe. Als habe ein Troll mit einer riesigen Axt den Slåttdalsberget in zwei Teile gespalten.

Durch diese Schlucht führt auch der 127 Kilometer lange Fernwanderweg Högakustenleden, der im Süden in Hornöberget beginnt und den Wanderer bis nach Örnsköldsvik bringt.

Im Skuleskogen Nationalpark kann man problemlos mehrere Tage verbringen. Übernachten ist kein Problem. Es gibt Schutzhütten und einige Zeltplätze. Besonders schön sind die Rastplätze auf den Tärnättholmarna. Früher waren das zwei Inseln, die sich inzwischen aufgrund der Landhebung aber mit dem Festland verbunden haben.

Auch das kann Ångermanland sein; hier in der Nähe von Örnsköldsvik

Nordingrå – die Kommune der Hügel und Seen

Der Skuleskogen ist ein Traum. Der einzige Nachteil: In der Hochsaison kann es auf den Rastplätzen für schwedische Verhältnisse recht voll werden. Wer eine herrliche Aussicht, aber weniger Menschen sucht, der kann nach Nordingrå, etwa auf halber Strecke zwischen der Högakusten-Brücke und dem Skuleskogen, fahren. Man sagt, die Kommune Nordingrå habe 52 Dörfer, 52 Seen und 52 Hügel. Ich habe das nicht nachgezählt, hügelig und seenreich ist die Gegend aber gewiss. Südlich des Sees Vågsfjärden erhebt sich der Hügel Rödklitten. Wer ihn emporwandert, wird mit einem traumhaften Blick über die Landschaften der Hohen Küste belohnt.

Ångermanland stinkt – zumindest auf den Ulvöarna

Etwas südöstlich des Skuleskogen liegt ein weiteres Highlight Ångermanlands im Meer: die Ulvöarna. Um die Inselgruppe zu erreichen, muss man aber am Skuleskogen vorbeifahren nach Kläppa. Von hier aus fahren die Fähren auf die Inseln, die wunderschön sind und mit urgemütlichen Fischerdörfern aufwarten. Bekannt sind die Ulvöarna vor allem für den Surströmming. Das ist jener berühmt-berüchtigte fermentierte Hering, der statt in Salz durch Milchsäuregärung konserviert wird und dadurch – nun ja – gewöhnungsbedürftig riecht.

Schuld an diesem Geruchsunfall ist übrigens Gustav Vasa, der Schweden durch seinen Befreiungskrieg aus der dänischen Vorherrschaft löste. Unterstützt wurde er dabei von der Hanse, die irgendwann aber die Schulden, die der schwedische König gemacht hatte, wieder einforderte. Als der König dem nicht im gewünschten Maße nachkam, lieferte die Hanse kein Salz mehr. Die Fischer mussten nun neue Ideen entwickeln, Fisch haltbar zu machen. Das Resultat ist eine kulinarische Besonderheit, die nur manche als Delikatesse bezeichnen.

Auf den Ulvöarna kannst du dich ganz dem Surströmming hingeben. Du kannst aber auch einfach die schönen Inseln und die hübschen Fischerdörfer genießen, frei durchatmen und die frische Meeresluft riechen.

Ö-Vik – die größte Stadt in Ångermanland mit weit zurückreichenden Wurzeln

Etwa zwanzig Kilometer nördlich des Skuleskogen Nationalparks kommen wir in die größte Stadt Ångermanlands, nach Örnsköldsvik, oft auch nur kurz und knapp Ö-Vik genannt. Fast 30.000 Menschen leben hier. Besiedelt war die gut geschützte Bucht schon vor mehreren tausend Jahren. In Gene, einem südlichen Vorort, wurden Überreste eines Hofs aus dem Jahr 0 gefunden. Nirgends so weit im Norden gibt es einen ähnlichen Fund. In einem Waldstück in Gene wurde der große, lang gestreckte Hof rekonstruiert und kann heute im Genesmons Archäologischem Freilichtmuseum besichtigt werden.

Ö-Vik an sich ist hübsch an einer Bucht gelegen, es gibt mehrere vorgelagerte Inseln und gerade im Sommer ist das Städtchen sehr lebendig (was zugleich heißt, dass in der Nebensaison nicht wirklich was los ist). Auch locken mehrere schöne Strände, zum Beispiel beim Skommarskatens Leuchtturm im Südosten der Stadt.

Stärker als man denkt

Man mag es der Stadt nicht zutrauen. Schließlich ist sie klein. Aber sie ist als wirtschaftlicher Standort bedeutend. Die ansässigen Firmen sind für 3 Prozent der gesamten schwedischen Exporte verantwortlich. Das ist bei einer Stadt mit 30.000 Einwohnern wirklich beachtlich.

Damit steht Ö-Vik stellvertretend für ganz Ångermanland. Es leben nur wenige Menschen hier; die Region ist klein und sie mag auf den ersten Blick unbedeutend wirken. Schaut man aber genauer hin, dann sieht man sie: die Besonderheiten, die grandiosen Highlights und die Rekorde, mit denen die Landschaft aufwarten kann.

Beitragsbild: Friluftsbyn Höga Kusten / imagebank.sweden.se

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