Am einen Tag holte ich mir einen fetten Sonnenbrand. Mit über 30 Grad weit nördlich des Polarkreises hatte ich irgendwie nicht gerechnet. An einem anderen Tag musste ich Wanderschuhe und Socken ausziehen und die Hose hochkrempeln, um durch eiskaltes Schmelzwasser zu waten. Die Brücke war überspült. Und wieder an einem anderen Tag wanderte ich um Mitternacht bei Sonnenschein auf einen Berg. Ein Skifahrer kam mir entgegen – im Frühsommer wohlgemerkt. Lappland ist ein perfekter Ort für Kuriositäten. Und Abisko ein idealer Ort, um Lappland zu entdecken.
Der Weg in den äußersten Norden Schwedens ist lang. Sehr lang. Von Süd nach Nord erstreckt sich Schweden über 2000 Kilometer. Sicherlich könnte man bis nach Kiruna fliegen und von dort mit Mietwagen oder Zug weiterfahren. Aber ich mag es, die Entfernungen auch wirklich wahrzunehmen. Wer einmal mit dem Auto durch endlose Wälder nach Lappland gefahren ist oder wer mit dem Zug von Stockholm durch die nie ganz dunkel werdende Nacht gen Norden gereist ist, der weiß, was Weite und Distanzen bedeuten.
Ganz im Norden am südlichen Ufer des Sees Torneträsk und nicht weit von der norwegischen Grenze liegt das Dorf Abisko. Gerade einmal 130 Einwohner leben hier. Aber der Ort hat zwei Bahnhöfe: einer im Dorf, der andere etwas weiter westlich bei der Abisko Turiststation. Die (nicht ganz billige) Turiststation ist eine große Anlage mit Hotel, Jugendherberge und Campingplatz, die von STF (Svenska Turistföreningen) betrieben wird. Sie ist der ideale Ausgangspunkt für Ausflüge, Wanderungen, Zugfahrten und im Winter für Touren mit den Langlaufskiern oder einem Schneemobil.
Eisenbahn und Tourismus
Die Geschichte Abiskos ist jung. Um das Jahr 1900 wurde die Eisenbahnlinie zwischen Luleå und Narvik in Norwegen gebaut, um Kohle und Eisenerz zu transportieren. Unter dem Berg Nuolja musste ein langer Tunnel gegraben werden, ein großes Projekt, weshalb sich viele Arbeiter am Fuß des Bergs ansiedelten und hier mehrere Jahre lebten. Die Geburtsstunde Abiskos. Als die Bauarbeiten fertig waren und die Arbeiter weiterzogen, kaufte STF eines der Gebäude und begann, Touristen im hohen Norden zu empfangen. Von Anfang an waren also die Eisenbahn und der Tourismus die beiden Lebensadern des Ortes. Bis heute hat sich nicht viel daran geändert.
Schon unterwegs – egal ob mit Zug oder Auto – sieht man vielerorts Rentiere, die durch die karge und weite Landschaft ziehen. Auch rund um Abisko trifft man immer wieder auf die scheuen Tiere. Ansonsten ist es einsam hier. Sehr einsam. Die Wanderer, die fast alle in der Abisko Turiststation unterkommen, verteilen sich tagsüber auf die vielen Wanderwege, sodass man nur selten andere zu Gesicht bekommt. Einzig auf dem Kungsleden, der hier beginnt bzw. endet, tummeln sich im Sommer und frühen Herbst mehrere Wanderer. Wer beispielsweise den Kungsleden-Klassiker von Abisko nach Nikkaluokta (oder andersherum) wandern möchte, der fährt besser, wenn er vorbucht – oder das Zelt mitschleppt.
Nicht nur der Kungsleden lädt in Abisko zum Wandern ein.
Der Kungsleden ist – der Name verrät es bereits – der König unter den Wanderwegen. Auch Tageswanderungen von Abisko zum Beispiel bis zur Abiskojaure-Hütte quer durch den Abisko Nationalpark sind möglich und wunderschön. Daneben gibt es aber unzählige weitere Wandermöglichkeiten – Richtung Norwegen, zu den berühmten „Lapporten“ – dem Eingangstor ins lappländische Fjäll –, auf den Nuolja oder, wer lieber nur einen Spaziergang machen möchte, hinunter zum See Torneträsk. Dabei kommt man auch an einem kleinen, aber durchaus faszinierenden Wasserfall vorbei. In Abisko ist man eben schnell inmitten der wilden Natur.
Spektakulär ist die Zugfahrt von Abisko nach Narvik. Zunächst zuckelt der Zug hoch ins norwegische Gebirge, um dann von hoch oben durch unzählige Tunnels, über viele Biegungen und Kurven hinab nach Narvik am Nordatlantik zu fahren. Diese Fahrt ist einzigartig, eine traumhafte Panoramastrecke, und damit eine wirklich lohnenswerte Option für einen Tagesausflug.
Panoramatraum – nicht nur für Eisenbahnromantiker
Wer mit dem Zug in die andere Richtung fährt, gelangt nach Kiruna. Auch die größte Stadt hier im Norden ist eine Reise wert. Schließlich ist Kiruna wohl die einzige Stadt, die umziehen muss. Die Schächte des Bergwerks wurden zu zahlreich, zu viel, zu tief ins Erdreich getrieben, so dass sich nun an mehreren Stellen der Boden senkt. Neben einer Besichtigung des Bergwerks sollte das berühmte Ice Hotel ebenfalls mit einem Besuch beehrt werden.
Das Eishotel kann natürlich nur im Winter besichtigt werden. Jedes Jahr wird es neu aus Eis errichtet und im Dezember eröffnet. Bis März oder April steht es dann. Wenn der Sommer kommt, löst es sich allmählich wieder auf.
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Abisko im Winter
Mitten im tiefsten Winter nach Abisko zu reisen, ist vielleicht nicht die beste Idee. Nördlich des Polarkreises wird es überhaupt nicht hell. Die winterliche Pracht genießen, kann man am besten im späten Winter oder im beginnenden Frühjahr. Dann sind die Tage schon wieder länger und es liegt noch immer genügend Schnee, um Ski zu fahren oder mit Langlaufskiern oder dem Schneemobil den Nationalpark zu entdecken. In Abisko bietet der Berg Nuolja mehrere Pisten (und wichtig: einen Sessellift). Das Ski-Eldorado hier im Norden ist aber eher der Ort Riksgränsen an der Grenze zu Norwegen.
Als ich einmal Anfang Juni auf den Nuolja wanderte, um von dort oben die Mitternachtssonne zu genießen, kamen mir Skifahrer entgegen, die die letzten Schneereste nutzten. Die Skisaison kann also lang sein.
Im Herbst und Winter tanzen die Nordlichter in surrealen Formen um den Berg. Vor einigen Jahren wurde hier die Aurora Sky Station errichtet. Laut Aussage der Betreiber sei dieser Ort der beste weltweit, um Nordlichter zu sehen. Auch wenn dieser Superlativ vielleicht übertrieben ist, so sind die Chancen jedenfalls ziemlich gut, auf der Jagd nach Polarlichtern hier Erfolg zu haben.
Die beste Zeit, um nach Lappland zu reisen
Lappland hält zu jeder Jahreszeit etwas ganz Besonderes bereit. Daher kann man auch nicht sagen, wann die beste Jahreszeit ist, um in den hohen Norden zu reisen:
Wer wandern möchte, für den ist die Zeit von Mitte Juni bis September ideal. Bis Anfang Juni macht es wenig Sinn, da die Hütten in den Bergen teilweise noch nicht offen sind und viele Wege aufgrund der Schneemassen noch gesperrt sein könnten. Ende Juni hat den Vorteil, dass die Mücken noch nicht da sind. Im Juli und Anfang August ist es meist schön warm, jedoch schwirren und stechen auch Abermillionen von Mücken. Ab Mitte August verfärbt sich alles wunderschön herbstlich, die Mücken verschwinden, aber das Wetter wird unbeständiger.
Nordlichter können am besten im Herbst und Winter bestaunt werden. Und wer Ski oder Schneemobil fahren oder sich von einem Hundeschlitten durch die weiße Winterwelt ziehen lassen möchte, der kommt am besten am Ende des Winters oder im beginnenden Frühling.
Nur die Zeit von April bis Mitte Juni und die Monate November und Dezember sind vielleicht nicht ganz so ideal, um Lappland zu erkunden.
Ansonsten ist es hier immer wunderschön – zu jeder Jahreszeit auf eine eigene, besondere Weise.
Ein spannendes Winter-Lappland-Abenteuer kannst du auch in Finnland erleben.*
Beitragsbild: Katja Kristoferson / Folio / imagebank.sweden.se
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