Sie sind also tatsächlich zurück. Nach beinahe vierzig langen Jahren, in denen „Waterloo“, „Dancing Queen“ und Co wieder und wieder durch die Diskotheken und Radios der Welt liefen. Wirklich weg waren die vier ja nie: Agnetha Fältskog, Björn Ulvaeus, Benny Andersson und Anni-Frid Lyngstad. Nicht nur die Silver Ager, die jung waren, als ABBA in den 1970er Jahren durch die Welt tourten und mit diesem eingängigen, aber nie billigen Pop die Leute auf die Tanzflächen holten, sondern auch die Generationen danach kannten alle die Songs von ABBA. Ja, vielleicht begegneten die, die erst in den 80er Jahren geboren wurden, dem schwedischen Glitzerpop mit etwas ironischer Distanz. Die Songs mitsingen, konnte man aber trotzdem. Still sitzen zu bleiben, war auch dann schwer, wenn man ganz sicher kein Fan der Gruppe war.
ABBA kannte jeder. Niemand konnte sich den Melodien entziehen, die direkt ins Ohr gingen – und da so schnell auch nicht wieder herauswollten. Wahrscheinlich muss ich hier nur das Wort Waterloo hinschreiben und schon werden viele Leserinnen und Leser die Melodie auf den Lippen haben.
Die beiden B’s haben ihr Handwerk nicht verlernt.
Björn Ulvaeus und Benny Andersson, die beiden Männer und die beiden B’s der Gruppe, stecken hinter den Songs. Sie sind die Genies, die die Lieder komponierten – während die A’s den Liedern Stimme verliehen. Auch nachdem sich ABBA 1982 trennten, blieben die beiden Männer der Musik treu. Sie schufen die Musicals „Chess“, „Mamma Mia!“ und das wunderbare „Kristina från Duvemåla“. Benny Andersson hat mit dem nach ihm benannten Orchester großen Erfolg. Auf der Insel Skeppsholmen mitten in Stockholm steht ein unscheinbares Gebäude, in dem er sein Studio MonoMusic führt.
Die beiden waren jetzt, fast 40 Jahre nach der Auflösung von ABBA, wieder am Werk und komponierten die Lieder für die neue Platte Voyage. Als am 2. September 2021 die beiden Songs „I still have faith in you“ und „Don’t shut me down” veröffentlicht wurden, hatten sie auf Youtube innerhalb kürzester Zeit mehr als 6 Millionen Aufrufe. ABBA scheint nichts von seinem Reiz eingebüßt zu haben. Und dann hört man in die Lieder rein und sofort hat einen der typische ABBA-Sound wieder. Bei „I still have faith in you“ singt hauptsächlich Anni-Frid, beim zweiten Song Agnetha, immer wieder vereinigen sich aber die Stimmen der beiden Frauen. Leise, fast ein wenig melancholische Phasen wechseln sich mit kraftvollen, freudigen ab. Benny Andersson und Björn Ulvaeus haben ihr Handwerk ganz offensichtlich nicht verlernt. Die Lieder funktionieren wie die ABBA-Songs vor über 40 Jahren.
Das alles ist wie ABBA vor über 40 Jahren.
Auch ABBA wird älter. Oder nicht?
Mittlerweile sind alle vier Mitglieder der Band über 70. Sie sind älter geworden, haben sich weiterentwickelt. Ihre Lieder nicht.
Im Video zu „I still have faith in you” werden zunächst Bilder und Videos aus früheren Zeiten eingeschnipselt, ehe am Schluss die vier von ABBA selbst auftreten. In den gleichen Kostümen wie damals, jung wie in den 1970ern. Es sind nicht die Ü70, die hier auf der Bühne stehen, sondern Hologramme, die die Musiker zeigen, wie sie früher waren. Genau so wie bei der geplanten Show, die ab dem nächsten Jahr in London laufen soll, nicht die echten ABBA-Musiker, sondern lediglich deren hologrammatischen Abbilder auf der Bühne stehen. Die Fans jubeln dann nur einer visuellen Rekonstruktion zu.
ABBA versucht, Vergangenes in die Gegenwart zu holen. Aber ob das die Zukunft ist? Ich hätte gerne die heutigen Musiker gesehen, hätte gerne gehört, wie sie sich verändert und weiterentwickelt haben.
Stattdessen wird Vergangenheit recycelt.
Die Songs sind nicht schlecht, keine Frage. Sie sorgen für einen kurzen Moment nostalgischer Freude, für einen kleinen Augenblick der Reise in die eigene Jugend. Mehr aber auch nicht. Schade.
Wie gefallen dir die beiden neuen ABBA-Songs? Und wie stehst du zum Comeback der Band? Schreib gerne deine Meinung in die Kommentare!
Ja, mit ABBA ist das so eine Sache. Ich selbst gehöre auch zu der damaligen Fangeneration und wundere mich nun auch ein wenig, warum sie nicht „in echt” die neuen Songs präsentieren. Die Songs wirken wie alte von damals, ein heutiger „Soundanstrich” hätte ihnen gut getan, war man zu vorsichtig, mochte alte Fans nicht verprellen? Ich weiß es nicht, aber eine Schüppe mehr Mut zum Heute wäre mir lieber gewesen. Der erste Eindruck ist nicht wiederholbar, aber vielleicht ist der Rest des neuen Albums ja zeitnaher – abwarten. Ansonsten bitte: gebt Euch einen Ruck beim vielleicht zweiten Album!
Genau so erging es mir auch. Die Songs funktionieren gut und sind eingängig – keine Frage. Aber insgesamt bleiben sie doch zu sehr in früheren Zeiten hängen. Ein kleines Bisschen Weiterentwicklung wäre schön gewesen.
Bleibt nur, auf die weiteren Lieder zu warten und zu hoffen. 😉