Frei sein. Draußen sein. Unterwegs sein. Ein Traum, der in vielen schlummert. Und wäre da nicht die Arbeit, die Familie, diese Verpflichtung und jene Gewohnheiten, dann würden wir den Traum ganz sicher nicht nur in einzelnen Urlaubswochen umsetzen, sonderlich gänzlich anders leben, ganz bestimmt. Kathrin Heckmann hat es nicht nur beim Träumen belassen, sie hat ihr Leben so geändert, dass der Traum Realität werden konnte. Seitdem ist sie als „Fräulein Draußen“ unterwegs.
Kathrin Heckmann zählt gewiss zu den bekanntesten Wander- und Outdoor-Bloggerinnen Deutschlands. Sie ist unterwegs in heimischen Mittelgebirgen und in der weiten Welt, sie marschiert tausend Kilometer durch Südwestaustralien, radelt aber auch mal durchs gar nicht so gefährliche Allgäu. Von ihren Erlebnissen berichtet sie auf ihrem Blog „Fräulein Draußen“ und in ihrem gleichnamigen Buch, das den Untertitel „Wie ich unterwegs das Große in den kleinen Dingen fand“ trägt. Oje, mag es da manchem durch den Kopf gehen. Dieser Untertitel klingt nach typischem Marketingsprech. Ein weiterer Glücksratgeber?
Ja, das Buch ist durchaus ein Ratgeber, mit dem entscheidenden Unterschied, dass es nie als Ratgeber daherkommt. Es ist kein „Du musst dein Leben ändern“-Buch, kein Buch, das eine angebliche Glücksformel bereithält. Kathrin Heckmann erzählt vielmehr von ihrem ganz persönlichen Weg, wie sie Glück fand und dabei wieder mehr zu sich selbst. Und sie erzählt ausgiebig von ihren Wanderungen auf Island, in den schottischen Highlands, im finnischen Winterzauber oder dem grünen Tunnel Westaustraliens. Als LeserIn begleitet man sie bei diesen Reisen, und man tut dies gerne, weil die Autorin nicht nur schreiben und erzählen kann, sondern vor allem auch, weil sie dabei absolut authentisch wirkt.
Alles beginnt mit einem gelb leuchtenden Zelt auf dem Bildschirm.
In 13 Kapiteln (plus Prolog und Epilog) nimmt sie uns mit auf ihre Reise, die bei einem gelb leuchtenden Zelt unter der Milchstraße auf einem Bildschirmhintergrund beginnt. Das Zelt, das die Sehnsucht der Autorin weckt und an jedem Arbeitstag wachhält. Wir folgen ihr nach Utah, wo sie auf ihrer ersten großen Rucksackreise nachts auf einem Felsen sitzt und einer schuhuenden Eule nachspürt. Damit taucht sie ein in eine ihr bis dahin fremde Welt, eine Welt, in der sie sich mit allen Sinnen auf ihre Umgebung, die Eule, die Natur einlassen kann.
„Eine Welt, über die ich so wenig wusste, in der ich so fremd war und in der ich mich doch zu Hause fühlte. Und ich würde nie wieder dieselbe sein. Denn diese Nacht hatte zwar nicht alles verändert, aber alles in mir.“
Kathrin Heckmann
Sätze wie diese wirken immer ein wenig pathetisch, aber man nimmt sie Kathrin Heckmann ab. Sie ist keine Abenteuerin, die bereits von allem eine Ahnung hat, keine Ängste mit sich trägt und sich immer mit einem MacGyver-Trick zu helfen weiß. Sie tastet sich langsam an diese neue, ihr zunächst fremde Welt heran. Die erste Nacht ganz allein beim Wildzelten auf einem einsamen Hügel in den Weiten der schottischen Highlands beschreibt sie einerseits als erhebenden Meilenstein, andererseits erzählt sie aber auch von den Geräuschen der Nacht, die sich einsam im Zelt in wildeste Fantasien verwandeln können. Ihre Wanderwelt ist keine Instagram-Show-Tour. Denn sie wird von fiesen Stechmücken ebenso geplagt wie von Sorgen, die Monotonie endloser Wanderungen durch immergleiche Wälder könnten in gähnende Langeweile umschlagen. Die Furcht oder den Respekt vor handtellergroßen Heuschrecken oder die Wildnis Alaskas durchstreifenden Bären redet sie nicht klein.
„Fräulein Draußen“ ist immer authentisch – und damit sehr sympathisch.
All das lässt ihre Reiseberichte authentisch wirken, weshalb man ihr den einen oder anderen pathetischen Satz überhaupt nicht übel nimmt, sondern ihn ihr sofort glaubt – und mehr noch: Man ertappt sich dabei, wie man nickt und ihr aus vollem Herzen heraus zustimmen mag. So erging es mir jedenfalls, und ich denke, so wird es allen ergehen, die nicht länger nur sehnsüchtig ein einsames Zelt auf einem Bildschirmhintergrund anschauen, sondern es eigenhändig irgendwo aufstellen wollen.
Schon bald erkennt man, wie der Untertitel gemeint ist. Kathrin Heckmann ist durchs Wandern nicht zur weisen Philosophin geworden, die das „Große in den kleinen Dingen“ erkennt.
„Ich möchte die Geschichten von kleinen Dingen erzählen, die so klein gar nicht sind, allein schon weil sie Großes in mir bewirkt haben.“
Kathrin Heckmann
Das Große ist nicht die Welterkenntnis, sondern die Veränderungen in einem selbst. Eine neue Wahrnehmung der Natur, aber auch von sich selbst, das Finden einer inneren Ruhe, einer Zufriedenheit und einer Absage an jenes Gefühl, ständig vom einen zum nächsten hetzen zu müssen.
Diese kleinen Dinge, die in der Autorin Großes bewirkt haben, das sind beispielsweise jene Eule im Nationalpark in Utah, die ablenkungsfreie Monotonie eines dänischen Sandstrands, die alles durchdringende Stille im winterlichen Lappland oder faszinierende Spinnweben im südafrikanischen Dickicht. Dinge, die bei anderen möglicherweise rein gar nichts auslösen – oder im Falle der Spinnen sogar Ekel.
Es sind die kleinen Dinge, die Großes bewirken können.
Vielleicht ist das der entscheidende Rat, den das Buch gibt, ohne ihn explizit zu formulieren: Das Wandern und das Draußensein ermöglichen es, zu sich zu kommen und die Sinne zu schärfen für die Umwelt, die einen umgibt. Und wenn man sich nur Zeit lässt, wenn man sich einlässt, dann wird man diese kleinen Dinge, die bei jedem andere sein können, finden. Kleine Dinge, die Großes auslösen können.
Im Falle der Autorin haben die kleinen Dinge ihr Leben umgekrempelt. Sie kündigte irgendwann ihren Job, machte sich als Bloggerin und Autorin selbstständig und erwanderte sich die Welt – immer wieder auf wochenlangen Fernwanderwegen und stets allein.
So weit muss man als LeserIn ja gar nicht gehen. Aber man begibt sich auf eine eigene Reise, wenn man dieses Buch liest und den Wanderungen und Gedanken der Autorin – mal informativ, mal humorvoll, mal nachdenklich geschrieben – folgt. Eine Reise, bei der man sich immer wieder dabei ertappt, wie man ebenfalls von einem bestimmten Ort inmitten unendlicher Natur oder von einem Moment der Einsamkeit, der Ruhe oder der Erhabenheit träumt.
Und dann bleibt nur noch, die Träume auch umzusetzen, sodass man irgendwann mal vielleicht selbst das kleine gelbe Zeit unter der weiten Milchstraße aufschlagen kann. So, wie es die Autorin eines Nachts gemacht hat – irgendwo im Tien-Shan-Gebirge in Kirgistan.
Das Buch „Fräulein Draußen – Wie ich unterwegs das Große in den kleinen Dingen fand“ von Kathrin Heckmann ist 2020 im Ullstein Verlag erschienen. Als Paperback kostet das Buch 14,99 Euro.
*Zwei Exemplare des Buchs, die uns der Ullstein-Verlag dankenswerterweise zur Verfügung gestellt hat, kannst du bei Elchkuss gewinnen. Gehe dazu einfach auf die Seite unserer Elchkuss-Adventsverlosungen, dort findest du alle weiteren Informationen.
Fräulein Draußen in Schweden
Kein Schweden in diesem Buch? Nun war die Rede von den USA, Südafrika und Australien, ja, auch Dänemark und Finnland kamen vor. Aber fehlt da nicht Schweden? Aber nein. Ganz am Ende des Buchs begibt sich die Autorin für mehrere Monate nach Schweden, um dort das Buch zu schreiben. Und spätestens als ein Waldkauz sein Schuhuuu anstimmt, weiß sie, dass sie angekommen ist. Und jeder, der Schweden kennt und liebt, glaubt es ihr sofort – ob mit oder ohne Pathos.
Kathrin Heckmann war 2020 mehrere Wochen lang mit dem Rad in Schweden unterwegs. Davon erzählt sich in unserem Podcast. Hör gerne rein!
* = Affiliate-Link
Beitragsbild: Kathrin Heckmann, Ullstein-Verlag
Habe das Buch letzten Sommer gelesen und kann es auch sehr empfehlen. Auch die dazugehörige Podcastfolge finde ich ganz spannend. So schließt sich der Kreis um Schweden wieder ein Mal mehr. 😊