Es sind wahrscheinlich nur wenige andere Dinge, die so eng und fest mit Schweden verknüpft werden wie die kanelbulle, die Zimtschnecke. Nicht nur bei Touristen ist das zimtige Gebäckstück extrem beliebt, auch die Schweden selbst verzehren einige Kilo davon jedes Jahr. Am 4. Oktober feiern sie den Kanelbullens dag, den Tag der Zimtschnecke.
Ich bin mir sicher, dass ich nicht alleine mit diesem Gefühl bin. Wenn ich nach Schweden reise, dann kommt irgendwann dieser Moment, sei es im Bahnhof, in einem Einkaufscenter oder in einer Fußgängerzone. Aus einem Café oder einer Bäckerei schwebt dieser Duft vorbei. Er kitzelt ein wenig an der Nase und legt sich wie ein warmer Umhang um mich. Ein Duft des Glücks, ein heimeliger Duft, bei dem ich mich gleich irgendwie besser fühle, zuhause. Der Duft einer Zimtschnecke.
Ich fühle mich bei diesem Duft aber nicht einfach nur wohl, ich bekomme vor allem auch riesige Lust, augenblicklich in eine kanelbulle zu beißen – und normalerweise kann ich dieser Lust nicht widerstehen. Ich weiß, dass ich mit diesem Gefühl nicht alleine bin. Studien haben die magische Kraft des Dufts einer Zimtschnecke bereits bewiesen – aber dazu unten noch mehr.
Du kannst den Beitrag über die Kanelbulle auch anhören:
Neben Elchen, roten Holzhäusern und dem Dalahäst gibt es nur wenige Dinge, die so eng mit Schweden verbunden werden wie die kanelbulle. Die nordische Variante schmeckt einfach so viel besser als die ordinäre Zimtschneckenvariante, die man auch im restlichen Europa vielfach bekommt.
Aber woran liegt das?
Keine Kanelbulle ohne viel Butter
Eine kanelbulle bedarf keiner großen Zutatenliste. Mehl (normalerweise wird Weizenmehl empfohlen), Milch (manchmal auch Wasser), Hefe, Zucker, Zimt und – wichtig – Butter. Die Butter ist enorm wichtig, will man den schön fluffigen Geschmack, für den die kanelbulle bekannt ist. Wer sich sagt „Och nö, zu viel Fett, das ist ungesund“ und deswegen an der Butter spart, der wird zu trockene Zimtschnecken aus dem Ofen ziehen.
Eine kanelbulle ist eine süße Sünde. Also muss an der Butter gewiss nicht gespart werden.
Intensiver wird der Geschmack, wird der Füllung noch Mandelmasse beigemengt. Und oft wird der Teig zusätzlich mit Kardamom gewürzt, auch das sorgt für einen noch „nordischeren“ Geschmack und den Unterschied zwischen kanelbulle und gewöhnlicher Zimtschnecke.
Oben wird die kanelbulle mit Eigelb bestrichen und mit Hagelzucker bestreut. Wenn du magst, kannst du auch noch Mandelblättchen hinzufügen.
Das war’s auch schon! Stöbert man Rezepte durch, findet man gewisse Unterschiede (zum Beispiel ob mit Wasser oder mit Milch), aber im Kern sind die Rezepte ähnlich. Eines, das ich schon mehrfach erprobt und für gut befunden habe, findest du hier.
Die noch junge Tradition der kanelbulle
Hinter Dingen, die so typisch für ein Land sind wie die Zimtschnecke, die fast schon Teil der nationalen Identität sind, stecken oftmals große Geschichten, Legenden und Mythen. Meist reichen sie bis ins Mittelalter zurück, manchmal sogar bis in die Wikingerzeit.
Die Geschichte der kanelbulle hingegen ist ziemlich jung und reichlich unspektakulär.
Erste Vorformen der heutigen Zimtschnecke findet man in der Mitte des 19. Jahrhunderts, aber erst nach dem Ersten Weltkrieg in den 1920er Jahren wurde sie beliebter und bekannter. Lebensmittel, die während des Kriegs beschränkt und kaum aufzutreiben waren, gab es nun wieder. Hinzu kamen modernere Küchenmaschinen und Backöfen, die die Herstellung der Zimtschnecke deutlich erleichterten.
Eine Erfolgsgeschichte seit dem Zweiten Weltkrieg
1924 findet im „Mellerstedts Svensk Konditorbok“ ein Rezept Erwähnung, das hinsichtlich der Zutaten der heutigen Zimtschnecke bereits sehr ähnelt. Allerdings war es hier noch keine Schnecke, sondern ein Kranz oder Ring.
Nach dem Zweiten Weltkrieg, im Jahr 1946, wird dann im „Stora Kokboken“ zum ersten Mal die kanelbulle, wie wir sie heute essen und lieben, beschrieben. Und damit begann eine wahre Erfolgsgeschichte.
1960 aß ein Schwede durchschnittlich 10 Kilogramm kanelbullar pro Jahr. Laut Google Trends suchen ungefähr gleich viel Menschen in Schweden nach dem Begriff „kanelbulle“ wie weltweit die englische Übersetzung „cinnamon roll“ gesucht wird. Ein klares Zeichen, dass der Zimtschnecke in Schweden eine gänzlich andere Bedeutung zukommt als im Rest der Welt.
Kein Wunder, dass sie dem Nationalgebäck in Schweden einen eigenen Tag gewidmet haben. Seit 1999 ist der 4. Oktober der Kanelbullens dag.
Aber auch hinter diesem Tag steckt keine große Geschichte. Er ist eine Erfindung des Hembakningsrådet, einer Vereinigung, die sich dem Backen in der heimischen Küche gewidmet hat. 1999 feierte er sein 40jähriges Jubiläum und suchte daher nach einem Thementag. Die Wahl fiel schnell auf die Zimtschnecke.
Warum am 4. Oktober die Kanelbulle feiern?
Aber warum auf den 4. Oktober? Vor allem wollte man nicht mit anderen Tagen, die einem Essen gewidmet sind, in Konflikt geraten. Der kanelbullens dag musste also weit weg vom Fettisdagen sein, an dem die Schweden Semlor mampfen. Auch die Tage des surströmmings, der köttbullar und der Krebse, also die kräftskiva, sollten umschifft werden. Anfang Oktober war daher eine gute Zeit. 1999 wurde zudem der Internationale Tag der Kinder ebenfalls am 4. Oktober gefeiert. Kinder und kanelbulle – das passt irgendwie zusammen, dachte man sich, und schon war das Datum gefunden.
Das Jubiläum ist der offizielle Grund für die Einführung dieses Thementags. Man munkelt, dass es aber auch noch einen anderen Grund geben könnte. Denn futterten die Schweden 1960 noch durchschnittlich 10 Kilo bullar, so halbierte sich die Zahl bis 1999. Vielleicht brauchte man den Tag der Zimtschnecke, weil man den Verzehr und damit den Konsum befeuern wollte.
Wenn dem so war, dann ging der Plan voll auf. Zumindest am Kanelbullens dag essen die Schweden Zimtschnecken wie die Weltmeister. Ungefähr 7 Millionen werden allein an diesem Tag verkauft. Und da sind die selbstgebackenen noch gar nicht eingerechnet. Etwa zwei bis drei Millionen kommen da nochmal hinzu. Schweden hat etwas mehr als 10 Millionen Einwohner, das bedeutet, dass am 4. Oktober im Schnitt jede Schwedin und jeder Schwede eine kanelbulle verzehrt. Hut ab!
Auch die Unternehmen befördern Verkauf und Verzehr, denn fast jeder zweite Unternehmer sagt aus, dass er an diesem Tag seine Belegschaft zu einer Zimtschnecke einladen möchte.
Erotisierende Kanelbulle?
Es müsste mal geprüft werden, ob neun Monate nach dem 4. Oktober die Geburtszahlen steigen. Das würde jedenfalls zur Studie von Dr. Hirsch, einem Neurologen aus Chicago, passen. 1994 maß er die Blutzirkulation in den Genitalien von Medizinstudenten. Er testete, ob Gerüche anregend wirken, also auch sexuell anregend. Wenn die Blutzirkulation bei einem bestimmten Geruch ansteigt, würde das dafür sprechen. Zuerst testete er verschiedene Pflanzen, darunter Rosen – nichts. Dann versuchte er es mit Parfum, zum Beispiel mit No. 5 von Chanel und Obsession von Calvin Klein – wieder nichts. Aber dann erhöhte sich die Blutzirkulation doch signifikant – und zwar beim Duft von Zimtschnecken.
Die (augenzwinkernden) Schlussfolgerungen von Dr. Hirsch: 1. Medizinstudenten haben immer Hunger. 2. Der Weg zum Herz eines Mannes führt definitiv durch den Magen.
Sie macht zumindest hilfsbereiter.
Ist eine kanelbulle also erotisierend? Zimt wird das ja nachgesagt. Nun ja, lassen wir die Frage einfach mal so im Raum stehen.
Wenn ich aber durch ein Einkaufscenter, durch eine Fußgängerzone, durch einen Bahnhof gehe und der Duft einer kanelbulle steigt mir in die Nase, dann fühle ich mich definitiv besser, glücklicher.
Angeblich auch hilfsbereiter. Das jedenfalls war das Ergebnis einer anderen Studie namens „The Sweet Smell of…“ von Robert Baron aus dem Jahr 1997. In dieser Studie wurden Passanten in einem Einkaufscenter gebeten, bei verschiedenen Kleinigkeiten zu helfen, zum Beispiel einer älteren Dame ihre Tasche zu tragen. Schwebte der Duft von Zimtschnecken im Hintergrund, zeigten sich die Menschen deutlich hilfsbereiter, als wenn kein Duft da war.
Wir halten also fest: Zimtschnecken machen nicht nur glücklich, sondern auch mitmenschlicher.
Glücklich machende Cafés und Konditoreien
Und wo kann ich mich nun in Schweden auf diese magenfüllende Weise glücklich machen?
Im Prinzip überall. Landauf, landab gibt es in Schweden so viele Cafés, Bäckereien und Konditoreien, die sehr leckere kanelbullar backen.
Hier wirst du aber vielleicht besonders glücklich:
- In der Konditori Nordpolen in Vara (zwischen Trollhättan und Skara), nach White Guide Café die beste Konditorei Schwedens
- Im Café Husaren im Göteborger Stadtteil Haga: Hier gibt es die größten kanelbullar Göteborgs.
- In Stockholm kann ich die Tössebageriet in Östermalm und Ingrid in Norrmalm sehr empfehlen.
Iss und werde glücklich!
Beitragsbild: Magnus Carlsson / imagebank.sweden.se
Lieber Jo! Ich habe heute beim nachhausefahren deinen Podcast gehört. Da bin ich gleich beim Supermarkt abgebogen, hab Butter und Zimt gekauft und jetzt duftet es ganz herrlich aus dem Backrohr. Danke für die Inspiration! Ich hoffe du bist wieder gesund! LG Susanne
Hej Susanne!
Wie schön! 🙂 Das freut mich sehr! Lass dir die Kanelbullar schmecken.
Ganz liebe Grüße,
Jo