Geschichte Schweden vor 500 Jahren

1520: das Stockholmer Blutbad

8. November 1520: das Stockholmer Blutbad

Vor 500 Jahren überschlagen sich die Ereignisse in Schweden. Gerade eben wurde noch die Königskrönung des dänischen und jetzt auch schwedischen Königs Kristian II. gefeiert. Doch auf das Fest folgt ein Gemetzel: das Stockholmer Blutbad.

1520:

8.-10. November: Das Stockholmer Blutbad

Es regnet in Strömen an jenem 8. November 1520, als in Stockholm ein geistliches Gericht zusammentritt. Nach kurzer Beratung kommt es zu einem Urteil, das wohl schon zuvor festgestanden ist: Die Anklage des Gustaf Trolle, die am Tag zuvor vorgetragen worden ist, wird bekräftigt. Es handele sich ganz offensichtlich um Ketzerei.

Die Strafe: der Tod. Unmittelbar geht man dazu über, das Urteil umzusetzen. Zuerst werden die beiden Bischöfe Mattias von Strängnäs und Vincent von Skara auf den Hauptmarkt, den Stortorget, in Stockholm geführt, wo ein provisorisches Schafott errichtet worden ist.

Das Stockholmer Blutbad: eine politische Säuberung

Spätestens jetzt wird jedem bewusst, was hier vor sich geht. Und dass es nicht nur um Ketzerei und um die Rache des Erzbischofs geht, sondern dass hier eine politische Säuberung geplant ist. Kristian II, der neue schwedische König, will seine Gegner beiseiteschaffen. Die Amnestie, die er einmal versprochen hat, kann in der Pfeife geraucht werden.

Die beiden Bischöfe standen nicht einmal in der Anklageschrift des Erzbischofs. Sie waren also nicht der Ketzerei angeklagt. Dennoch sollen sie hingerichtet werden? Bischöfe? Bischof Jens von Odense, der das geistliche Gericht am Morgen angeleitet hat, protestiert. Bischöfe dürfen nicht hingerichtet werden. Aber sein Protest wird in den Wind geschlagen.

Die sog. Blutbadstafel, ein Stich aus dem Jahr 1524, der die Geschehnisse im November des Jahres 1520 in Stockholm zeigt.

Ein Henker mit Galgenhumor

Als Erster muss Bischof Mattias von Strängnäs aufs Schafott steigen. Er fragt den Henker Jörgen Homuth, was hier vor sich gehe, woraufhin der Henker antwortet: „Gnädiger Herr! Nicht gerade gute Zeiten. Eure Hoheit mögen mir verzeihen, aber ich habe den Befehl, Ihnen den Kopf abzuschlagen.“ Der Bischof erblasst, doch es gibt keine Gnade mehr für ihn. Er muss sich vor den Henker knien, Jörgen Homuth holt mit seinem Schwert aus und trennt mit einem Schlage den Kopf vom Rumpf. Das Haupt – mit der Mitra noch auf dem Kopf – wird fein säuberlich zwischen die Beine des toten Bischofs gesetzt.

Bei Bischof Vincent und allen anderen, die folgen, macht sich der Henker nicht mehr diese Mühe. Deren Köpfe werden einfach in Fässer geworfen, ihre Körper aufeinandergestapelt. Nach den Bischöfen folgen die hohen Adligen. 15 der höchsten Adligen des Reiches verlieren den Kopf. Vor nichts und niemandem wird Halt gemacht. Reichsräte, Vögte, Ritter. Joakim Brahe ist unter ihnen, der Schwager des Gustav Eriksson, der sich nicht warnen lassen wollte. Und Erik Johansson, Gustav Erikssons Vater. Auch der Vogt des Schlosses Stockholm muss dran glauben; schließlich hat er zusammen mit Kristina Nilsdotter bis zum Schluss Stockholm gegen die Dänen verteidigt. Kristina, die stolze Frau des früheren Reichsverwesers Sten Sture, kommt mit dem Leben davon, sieht aber einer langen Zeit in Gefangenschaft entgegen.

Mit dem Blutbad hält der Schrecken Einzug in die Stadt.

Das Blut der Toten vermischt sich mit dem Regen. Der Himmel hat alle Schleusen geöffnet. Rote Bäche fließen über den Hauptmarkt und von dort durch die engen Gassen Gamla Stans.

Auf die Adligen folgen die Bürgermeister Stockholms und Mitglieder des Stadtrats. Ihnen kommt noch die „Gnade“ des Köpfens zu. Alle anderen Bürger und Diener der Adligen werden gehenkt. Manche Bürger werden aus ihren Häusern gerissen und ohne Prozess hingerichtet. Ein Mann – so erzählt man sich zumindest – wird gehenkt, nur weil er beim Anblick der vielen Toten weint und damit Mitgefühl zeigt.

Ausschnitt aus dem Blodbadsplanschen, dem Stich über das Blutbad
Ausschnitt aus der Blutbadstafel: Zu sehen sind die in Fässer geworfene Köpfe, Hinrichtungen, selbst das Ausgaben der Leiche des Sten Sture

Der Schrecken hat Einzug in Stockholm gehalten. Die Bewohner der Stadt versuchen sich zu verbergen, als die Soldaten des Königs abends durch die Straßen ziehen. Sie brechen die Häuser der Hingerichteten auf; alles Hab und Gut wird konfisziert, die Angehörigen auf die Straße geworfen.

Am Morgen des 9. November werden die Hinrichtungen fortgesetzt. Über 80 Menschen verlieren in diesen beiden Tagen ihr Leben.

Kristian II. am Höhepunkt seiner Macht

Alles nur wegen des Rachedursts eines Erzbischofs? Wohl kaum. Sicherlich, Gustaf Trolle wollte Rache. Aber das, was sich in diesen Tagen in Stockholm abspielt, geht weiter darüber hinaus. Hier will jemand ein Exempel statuieren. Hier möchte jemand alle potenziellen Gegner ausschalten. König Kristian II. nutzt das Momentum der Anklage durch Gustaf Trolle aus, um eine Säuberung ohnegleichen durchzuführen.

Am 10. November, es ist Sankt Martins Tag, nehmen die Hinrichtungen endlich ein Ende. Die Leichen werden nach Södermalm transportiert, wo sie den Flammen übergeben werden. Selbst die Leiche des Sten Sture wird ausgegraben und ebenfalls verbrannt. Ein Ketzer soll nicht in geweihter Erde liegen.

Kristian II. steht nun ganz oben. Die Opposition gegen ihn ist vernichtet. Er ist der König der Kalmarer Union und regiert über Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland.

Die Jagd auf Gustav Eriksson (Vasa) beginnt.

Nur einen Oppositionellen gilt es noch zu fangen: Gustav Eriksson aus dem Hause Vasa. Die Häscher des Königs werden ausgesandt, um ihn zu finden.

Gustav hat sich mittlerweile auf das Gut seiner Eltern nach Rävsnäs bei Gripsholm begeben. Dort hört er von den schrecklichen Ereignissen in Stockholm. Und er begreift, dass sein Leben in unmittelbarer Gefahr ist. Aber wo soll er hin? Sein Vater ist tot, ebenso sein Schwager und andere Verwandte. Die meisten weiblichen Verwandten befinden sich in Gefangenschaft. Verzweifelt packt er etwas Geld und einige wenige Habseligkeiten zusammen und macht sich auf den Weg in den Norden. Nach Dalarna. Dort sind die Menschen freiheitsliebend. Dort haben sich die dänischen Könige auch schon in der Vergangenheit die Zähne ausgebissen. Wenn er irgendwo Sicherheit finden sollte, dann da.

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