Ich liebe dieses schwedischste aller Wörter! Das Wörterbuch übersetzt es mit „gerade recht, passend, angemessen“. Das trifft es, letztlich aber doch nur unzureichend. Die Schweden selbst bezeichnen sich gerne als „lagom“. Sie, die Gesellschaft, das ganze Land seien „lagom“.
Der genau richtige Mittelweg
Sie haben also einen guten, richtigen Mittelweg zwischen den Extremen gefunden. Das seit den 1920er Jahren aufgebaute „folkhem“, der schwedische Sozialstaat, ist wahrscheinlich die Inkarnation von „lagom“ – ein Brise Sozialismus, ein Stückchen Kapitalismus, aber von keinem zu viel. Nicht-Schweden reagieren manchmal auf zu viel „lagom“ etwas befremdlich, denn notwendige, polarisierende Kontroversen oder auch mal ein Streit werden oftmals nicht geführt.
Kritik am „Lagom“-Lifestyle
„Lagom“ hat daher sicherlich auch seine Schattenseiten. So hat das Wort auch Eingang in unsere Liste gefunden, was einen an Schweden stören kann (Platz 4). Auch die Schwedin Carina Middendorf von Svenska Intensiv steht dem Begriff und vor allem der Tatsache, dass er momentan als Lifestyle gehypt wird, ziemlich kritisch gegenüber.
Trotz aller (berechtigten) Kritik: Einfach mal den Ball flach zu halten, nicht immer gleich ins Extreme zu gehen, sondern den genau richtigen Mittelweg zu suchen, das hat schon viel Charme. Und vielen Menschen täte eine solche Einstellung wahrscheinlich sehr gut, um selbst glücklich zu werden und andere glücklich zu machen. Ein bisschen mehr „lagom“ in unserem Leben dürfen wir also alle wagen.
Wie siehst du es? Ist der Begriff für dich eher negativ oder positiv geprägt? Schreibe deine Meinung gerne in einem Kommentar.
Lagom, ist nicht einfach für einen deutschen Besserwisser mit cholerischem Temperament.
Ich habe, als Schwedenurlauber, da so meine Phasen:
1. Woche= herrlich, alles so ruhig und entspannt
2. Woche= ja, so lässt es sich aushalten
3. Woche= beim Einkaufen, oder mit Handwerkern „jetzt kommt mal in die Puschen, Leute!“
4. Woche= langsam werd ich kribbelig
5. Woche= ich will nach Hause!
nach Verlassen der Fähre, auf der Bundesautobahn= ich will zurück nach Schweden!
Über meine Lagom-Erfahrungen in beinahe 20 Jahren Tätigkeit für ein schwedisch dominiertes Unternehmen mit schwedischen Kollegen, Kunden und Lieferanten (daher der Besserwisser) möchte ich als treffendes Beispiel nur die Antwort eines meiner schwedischen Kollegen auf eine recht harsche Mängelrüge eines deutschen Kunden zitieren:
„Thank you for your constructive input. We will discuss it immediately with our design department, when we come home.“
Er hätte auch sagen können: „Dein Gejammere geht mir voll am Arsch vorbei!“
Aber das wäre ja nicht lagom gewesen.
Hej Wolfgang!
Deine 5 Phasen kann ich gut nachvollziehen. Manchmal kann einen zu viel „lagom“ und „det ordnar sig“ echt hibbelig machen. Aber wie du sagst, sobald man die Fähre Richtung Deutschland wieder verlassen hat, will man sofort wieder zurück.
Die zitierte Antwort deines schwedischen Kollegen ist ein herrliches Beispiel. So kann man dem Wüterich den Wind aus den Segeln nehmen. 🙂
Hej,
eigentlich warte ich darauf, dass die Hochglanzmedien nach einem Magazin namens ‚Hygge‘ auch eins namens ‚Lagom‘ in die Läden bringen.
Für mich ist ‚lagom‘ eher positiv besetzt. Mit dem Zufriedensein was man hat, ohne ständig nach höher, schneller, weiter zu streben.
Manchmal erwartet man ‚perfekt‘, statt ‚lagom‘, dann entsteht eine Diskrepanz. Vielleicht hilft es die Erwartungen auch auf ‚lagom‘ zu bringen.
Hejsan!
Ja, ich denke auch, dass es positiv ist, wenn man einen persönlichen Maßstab nimmt. Dann kann lagom Grundlage für mehr Entspannung und eine relaxtere Haltung zu vielem sein. Problematisch ist es dann, wenn die Gesellschaft den Maßstab setzt, was als lagom zu gelten hat, denn dann kann es plötzlich ein- und vielleicht sogar ausgrenzen.
Ha det gött!
/Jo